Am Ende ohne das nötige Fortune: Pellegrino Matarazzo. In unserer Bildergalerie blicken wir auf sein Wirken beim VfB zurück. Foto: Baumann

Pellegrino Matarazzo ist beim VfB Stuttgart Geschichte. Fünf Gründe, warum es für den Trainer in Stuttgart nicht mehr weitergeht.

Erst kürzlich durfte sich Pellegrino Matarazzo über sein 1000-Tage-Dienstjubiläum beim VfB Stuttgart und darüber freuen, Bruno Labbadia als den Trainer aus der jüngeren VfB-Vergangenheit mit der längsten Dienstzeit (987 Tage) überholt zu haben. Viel hätte nicht gefehlt, und der US-Amerikaner hätte auch noch Armin Veh (1017 Tage), Jürgen Sundermann (1094), Helmut Benthaus (1095), Christoph Daum (1113) oder Felix Magath (1183) erreicht. Doch nach 1015 Tagen ging die Ära des 44-Jährigen nach der 0:1-Niederlage gegen Union Berlin und Tabellenplatz 17 am Montag zu Ende. Wir erklären, woran der beliebte, aber glücklose Coach gescheitert ist.

1. Schlechte Bilanz

Wie jedem Trainer vor ihm (und wahrscheinlich auch nach ihm) wurde Pellegrino Matarazzo letztlich die schlechte Bilanz zum Verhängnis. Nur fünf Punkte, als einziges Team aus der ersten und zweiten Liga auch nach neun Spieltagen noch sieglos, ganze drei Siege im Kalenderjahr 2022. Noch nie stand der VfB nach neun Spieltagen so schlecht da. „Das ist alarmierend“, sagte Sportdirektor Sven Mislintat nach der 0:1-Heimniederlage gegen Union Berlin, die Matarazzos 100. Partie auf der Trainerbank des VfB Stuttgart war. Und seine letzte.

2. Fehlende Entwicklung

Ziel und Anspruch eines jeden Trainers ist es, Spieler besser zu machen. Zumal in einer selbst ernannten Talentschmiede wie des VfB Stuttgart. In dieser und vergangener Saison hat man mit wenigen Ausnahmen (Hiroki Ito) davon zu wenig gesehen. Naouirou Ahamada spielte zuletzt zwar immer, der 20-Jährige bezahlte aber auch Lehrgeld. Die vielen anderen verheißungsvollen Talente, ob sie nun Enzo Millot, Lilian Egloff oder Tiago Tomas heißen, kamen über Ansätze nicht hinaus. Matarazzo ist es nicht gelungen, ihnen schon jetzt die nötige Bundesligareife zu verpassen. Eine spielerische Weiterentwicklung der Mannschaft war zuletzt genauso wenig zu erkennen wie läuferische Fortschritte – eines der großen Themen der zurückliegenden Saisonanalyse. In der Rangliste zur Gesamtlaufleistung belegt der VfB nur den 14. Platz. Ganz vorne rangieren der SC Freiburg, der 1. FC Köln und Union Berlin, das im Spiel gegen den VfB acht Kilometer mehr zurücklegte.

3. Kein funktionierendes System

Die besten Spiele machte der VfB in dieser Saison gegen Mannschaften, die ihm Platz zum Kontern boten: In Bremen (2:2), in Köln (0:0) oder bei den Bayern (2:2). Den Gegner durch eigenen Ballbesitz und eigenes Positionsspiel ernsthaft in Bedrängnis zu bringen, gelang nur selten. Zuletzt gegen Union Berlin allenfalls eine Halbzeit lang. Dabei war das stets Matarazzos Anspruch: Gestalten statt verwalten, selbst dem Spiel den Stempel aufdrücken. Doch bis zuletzt hat er kein entsprechendes System dafür gefunden. Mal versuchte er es mit einem Stürmer, mal mit zwei, mal mit schnellen Außenbahnspielern, mal mit Kreativität im Zentrum (die es zu selten gab). Zu lange war das Spiel auf das kongeniale Duo Borna Sosa/Sasa Kalajdzic zugeschnitten. Nach dem späten Abgang des Stürmerstars wenige Tage vor Transferende ist bis heute kein funktionierendes Spielsystem gereift.

4. Kaderzusammenstellung

Erneut ging der VfB Stuttgart mit einem der jüngsten Teams liga-, ja europaweit an den Start. Stand jetzt ging der Plan nicht auf. Die vielen aufsummierten Fehler ziehen die Frage nach der Qualität des Kaders unweigerlich nach sich. Wie kein anderer Verein in der Bundesliga war der VfB zu Transferüberschüssen gezwungen. Fast 26 Millionen Euro nahm der Club in diesem Sommer durch Spielerverkäufe (u.a. Sasa Kalajdzic) mehr ein, als er für neue ausgab. Sparzwänge, die der Club stets auf Corona und den 100 Millionen Euro teuren Stadionumbau zurückführte - und für die Matarazzo am allerwenigsten Verantwortung trägt. Er trägt allein die Konsequenzen. Obwohl Matarazzo immer wieder seine besten Spieler (Gregor Kobel, Nicolas Gonzalez, Sasa Kalajdzic) ersetzen musste: Besser als Platz 17 ist der Kader allemal.

5. Fehlendes Fortune

Unions Trainer Urs Fischer wählte am Sonntagabend den Begriff des „Wettkampfglücks“, um zu erklären, warum seine Mannschaft das Spiel mit 1:0 für sich entscheiden konnte. Was er damit meinte, war klar: Wer in der Tabelle oben steht, hat meist auch Glück – das Glück des Tüchtigen. Denn so knapp und vermeintlich unverdient die vielen Erfolge des Spitzenreiters erscheinen mögen, dahinter verbirgt sich auch eine Qualität. Umgekehrt verhält es sich bei den Teams im Tabellenkeller. Der VfB hat nach neun Spieltagen mal wieder das komplette Arsenal ausgeschöpft: Frühe Gegentore, späte Gegentore, unglückliche Gegentore, fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen, vertane Großchancen, Platzverweise. Wie man es dreht und wendet: Der Fußballgott allein lässt sich dafür nicht verantwortlich machen.