Der Abstand muss gewahrt werden: Der VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo gibt beim VfB die Richtung vor. Foto: Baumann

Pellegrino Matarazzo will seine Mannschaft nach der Corona-Pause auf den Punkt fit haben. Dabei muss er etwas hinbekommen, was noch kein Trainer des VfB Stuttgart vor ihm beherrschen musste.

Stuttgart - Grundsätzlich ist Pellegrino Matarazzo ein großer Freund von Pünktlichkeit. Dem Trainer des VfB Stuttgart ist es sogar lieber, stets ein paar Minuten früher an Ort und Stelle zu sein – und das erwartet er in Sachen Berufsauffassung auch von den Spielern des Fußball-Zweitligisten. Nicolas Gonzalez hat das schon einmal heftig zu spüren bekommen, als der argentinische Stürmer zu spät zu einer Mannschaftssitzung kam und prompt auf der Bank saß.

In Zeiten der Corona-Krise ist Matarazzo aber etwas nachsichtiger, wie er zugibt. „Wir haben uns in der Organisation des Trainings für ein Fließbandmodell entschieden. Die Spieler absolvieren in Fünfergruppen jeweils nacheinander ihre Stationen. Die zweite Gruppe kommt erst auf den Platz, wenn die erste zur nächsten Station geht. Der Ablauf wird sehr zeitgenau eingehalten“, erklärt der Chefcoach.

Auf keinen Fall darf eine Gruppe zu früh auf den Rasen, ansonsten gefährdet sie selbst das Projekt des reduzierten Trainings. Wobei die große Herausforderung, die sich jenseits von allen Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln für Matarazzo stellt, ja lautet, wie sich eine Mannschaft fit halten lässt, die gar nicht als Mannschaft trainiert.

Die Motivation darf nicht sinken

Im körperlichen Bereich lässt sich das leichter bewerkstelligen als im mentalen. Ausdauerläufe, Sprints, Kraftübungen – das alles ist selbstverständlicher Teil der Übungseinheiten. Die taktische Schulung ist da während der Pandemie schon etwas anderes. Viel geht es unter diesem Aspekt um Abläufe, die einstudiert werden. Laufwege und Passfolgen für einzelne Positionen, da beim VfB die Gruppen entsprechend zusammengestellt wurden.

Matarazzo und sein Trainerteam arbeiten dabei mit einem inhaltlichen Mix, da auch die Motivation nach den zähen Tagen im Hometraining nicht sinken soll. „Wir versuchen eine gute Mischung aus anspruchsvollen Übungen und auch dem Spaß am Spiel hinzubekommen. Dabei darf der Wettbewerbscharakter nicht zu kurz kommen“, sagt der 42-Jährige.

Alles für den Tag X, den auch Matarazzo herbeisehnt – den nächsten Spieltag, der zwangsläufig in leeren Stadien ablaufen wird, sofern er kommt. „Bei dem Thema, ob Spiele ohne Zuschauer vertretbar sind, geht es für mich auch darum, welche Stellung der Sport in der Gesellschaft hat. Der Fußball darf dabei keine Sonderrolle einnehmen, aber für viele Menschen ist er sehr wichtig. In dieser schwierigen Zeit wären die Spiele dann sicher eine positive Ablenkung – und würden auch einen Schritt zurück in den Alltag bedeuten“, sagt Matarazzo.

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Sein Vater, zum Beispiel, erzählt der Italoamerikaner, würde sich über Fußball im Fernsehen freuen, auch viele seiner Freunde. Sie suchen nach positiven Ansätzen – gerade in den USA und in Italien, wo das Coronavirus wütet und ein Teil von Matarazzos Familie lebt, weshalb der Sohn eines Auswanderers immer wieder sorgenvoll dorthin hinblickt. So darf einer der Brüder gerade nicht aus seiner kleinen Wohnung in New York heraus.

Was sagt Matarazzo zum Vergleich mit Guardiola?

Doch es gehört zu Matarazzos Naturell, die Situationen so anzunehmen, wie sie kommen, und das Beste daraus zu machen. Plötzlich muss er jedoch etwas beherrschen, was vor ihm in der langen Liste der VfB-Trainer bisher noch keiner beherrschen musste: Matarazzo soll ja nicht nur wie einst Jürgen Sundermann und später Hannes Wolf wieder in die Bundesliga aufsteigen, er muss beim Tabellenzweiten in der eigentlich entscheidenden Saisonphase eine Trainingssteuerung hinbekommen, die von Ungewissheit bestimmt wird. Keiner weiß, wann es weitergeht.

„Das macht es im Moment schwierig“, sagt der Trainer, der weiß, dass sich diese sonderbare Zeit auf die Psyche der Spieler auswirken kann. Kommunikation und Kreativität sind deshalb in der täglichen Arbeit gefordert. Wie üblich will Matarazzo die Profis zwar fordern, aber mit Inhalten nicht überfordern. Zumal ihm langsam das aktuelle Videomaterial ausgeht. Denn in der ersten Phase der Corona-Pause berief Matarazzo immer wieder Videokonferenzen ein, um den Spielern Fehler aufzuzeigen und Lösungsmöglichkeiten zu vermitteln. Beim gebotenen Abstand vollzieht sich das jetzt direkt auf dem Platz oder in kurzen Einzelgesprächen.

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Gut möglich also, dass die VfB-Akteure von dieser speziellen Übungsphase technisch und individualtaktisch profitieren. Äußerst detailverliebt sei der Coach in diesem Bereich, wie Holger Badstuber zuletzt bestätigt hat. Der Innenverteidiger verglich den Zweitliganovizen deshalb sogar mit dem großen Pep Guardiola. „Das schmeichelt einem natürlich. Aber Pep ist ein Welttrainer, der mit seinen Mannschaften 29 Titel gewonnen hat. Und ich arbeite fleißig daran, mit dem VfB meinen ersten zu gewinnen“, sagt Matarazzo. Neun Spieltage vor dem offiziellen Saisonende will der Stuttgarter Coach die Spieler deshalb auf den Punkt fit haben, wenn der Ball wieder im Stadion rollt.