Der Pächter aus Kalabrien hat den Hirsch nach 37 Jahren geschlossen. Foto: factum/Bach

Die Traditionsgaststätte im Gerlinger Hirsch hat seit Sonntag geschlossen. Der heutige „Patrone“ Egilio Paletta war seit 37 Jahren dabei. Doch die Gewinne wurden immer schmäler – nun hört der Kalabrier auf.

Gerlingen - Die Bänke im Biergarten sind zur Seite geräumt, ausgediente Einrichtungsgegenstände und alte Laternen bilden stattdessen im Biergarten einen Riesenberg. Lieferwagen stehen zum Abtransport bereit. Die Gaststätte Hirsch in der Gerlinger Hauptstraße hat am vergangenen Wochenende zum letzten Mal Gäste bewirtet. Espresso gibt es nur noch für die Helfer. Nach 37 Jahren hat Egilio Paletta seinen Pachtvertrag mit der Stadt gekündigt. Das Haus soll saniert werden.

Der „Patrone“ macht keinen glücklichen Eindruck, als er die Geschichte seiner Pizzeria erzählt, die nie ein vornehmes Ristorante hätte sein sollen. „Im Juni 1981 haben meine Schwester und mein Schwager die Gaststätte übernommen“, erzählt Paletta, er sei als junger Kerl aus Kalabrien dazu gekommen und habe als Kloputzer angefangen. Spülküche, Theke und Service seien die weiteren Stationen gewesen, bevor er fünf Jahre später der Chef wurde. Vor etwa fünf Jahren sei ein Verwandter mit eingestiegen, er selbst dann viel in Italien gewesen, um sich um die vom Vater geerbte Landwirtschaft zu kümmern. Vor einem Jahr habe sich dann der Verwandte in Weilimdorf selbstständig gemacht.

Ein Bier am Abend

Zur selben Zeit, so berichtet der Patrone mit Wehmut in der Stimme, sei das Geschäft immer schlechter geworden. Mit dem beliebten Mittagstisch habe man so gut wie kein Geld verdient, immer mehr Schüler besorgten sich ihr Mittagessen in einem der vielen Imbissläden in der Umgebung, der Durchschnittsumsatz pro Gast sei stetig zurückgegangen: „Am Abend saßen Gäste zum Teil anderthalb Stunden da mit einer Pizza und einem Bier.“ Auch die bis zu sechs anderen italienischen Lokale am Ort hätten Konkurrenz bedeutet.

Der Betrieb sei immer teurer geworden: „Seit knapp einem Jahr waren die Kosten höher als der Umsatz.“ Vieles hätte renoviert werden müssen. Anfang dieses Jahres habe er versucht, das Blatt zu wenden, einen Rettungsversuch unternommen und Privatvermögen veräußert, um die Schulden zu bezahlen. Er habe schon vor einem halben Jahr mit den Mitarbeitern „Klartext geredet“, zwei seien gegangen. Doch dann habe sich die Schließung nicht mehr aufschieben lassen. Diese hätte Ende September sein sollen, wurde aber in Absprache mit der Stadt als Vermieter vorgezogen.

Erste Beigeordnete: Keine Probleme gehabt

Martina Koch-Haßdenteufel, die Erste Beigeordnete, bestätigt dies. „Wir hatten nie Probleme mit dem Pächter“, betont sie, „der Hirsch war eine beliebte Gaststätte.“ Das Preis-Leistungsverhältnis sei günstig gewesen, die Qualität habe gestimmt. In Gerlingen wird aber erzählt, dass dies in den vergangenen Monaten nicht mehr immer der Fall gewesen sei. Zudem erlebten Gäste zeitweise einen unmotivierten Service. Die Folge: weniger Zuspruch. Der Patrone sagt selbst, er habe Stammtische verloren. Der Hirsch wird jetzt ausgeräumt. Für Egilio Paletta bedeutet dies das Ende einer langen Lebensphase. Was der 53-Jährige künftig macht, weiß er noch nicht. „Mir tut das alles so weh, nach 37 Jahren.“

Der Gemeinderat muss jetzt beraten, was mit dem Haus geschehen soll, in dem sich noch eine Arztpraxis und leer stehende Wohnräume befinden. „Wir müssen sanieren“, sagt Koch-Haßdenteufel, vielleicht mit Geldern vom Land.

Das Stadtbauamt hat sich noch nicht mit dem Gebäude befasst, die Überlegungen für die Zukunft des uralten Wirtshauses stehen am Anfang. Vom „Hirsch“ ist in den Annalen schon 1772 die Rede. Mitte des 19. Jahrhunderts kam eine Brauerei dazu. Vor gut 40 Jahren kaufte die Stadt das Anwesen – ein Teil des Biergartens wurde für den Neubau der Stadthalle gebraucht.