Riedberger Horn, heutiger Zustand: Man kann hier auch jetzt schon gut Skifahren. Foto: dpa

Naturschutz- und Bergverbände kämpfen gemeinsam gegen die Ausweitung der Pisten am Riedberger Horn, für die Bayerns Landesregierung soeben den Weg freigemacht hat. Aber die Probleme der deutschen Alpenregion liegen vielleicht ganz woanders.

München - Der alte Luis Trenker hat das Riedberger Horn einmal als „Deutschlands schönsten Skiberg“ bezeichnet. So steht es in Wikipedia, damit lässt sich werben. Noch schöner allerdings soll der markante Allgäuer Buckel nun durch jene Skischaukel werden, mit welcher die anliegenden Gemeinden Balderschwang und Obermaiselstein ihre Pisten ebenso touristenattraktiv wie investorenfreundlich verbinden wollen. Als Skischaukel bezeichnet man die tourismuswirtschaftliche und verkehrstechnische Verbindung von in verschiedenen Tälern gelegenen Skigebieten über die Höhenzüge.

Die Landesregierung in Bayern hat diese Woche den Weg dafür freigemacht; sämtliche Naturschutz- und Bergverbände aber protestieren: Für die neue Liftanlage müssen 80 Hektar einer in die höchste Schutzstufe des bayerischen Alpenplans eingruppierten Hangzone geopfert werden. Ein „unfassbarer Skandal“ sei das, schimpfen die Verbände; außerdem wecke man damit nur weitere Begehrlichkeiten in den Alpen. Der Schutz der Landschaft zähle nichts mehr.

Ist die Skischaukel überhaupt nötig?

Während die beiden Gemeinden ihre Skischaukel für unerlässlich halten, um im Fremdenverkehr wirtschaftlich bestehen zu können, meinen andere Tourismusexperten nahezu einstimmig, damit flüchte man in ein veraltetes Konzept. Das wurde diesen Donnerstag auch deutlich bei einem „Fachgespräch Zukunft der Alpen“, zu dem die SPD-Fraktion im bayerischen Landtag eingeladen hatte. Da befand etwa Professor Werner Bätzing, Deutschlands führender Alpenforscher, das Allgäu als „herausstechende“ Tourismus-Region verzeichne auch ohne Skischaukel einen starken Zuwachs an Gästen: 45 Prozent mehr Ankünfte, 23 Prozent mehr Übernachtungen in den vergangenen zehn Jahren.

Um den Wettbewerb um Skitouristen gewinnen zu wollen, sei der Abstand zwischen den bayerischen Alpen generell und den Nachbarregionen in Österreich viel zu groß, sagt Bätzing. Die längsten deutschen Pisten mäßen nicht einmal 50 Kilometer, während die Nachbarn jeweils zwischen 100 und 600 Kilometer auswiesen.

Im Klimawandel hat nur die Zugspitze eine Chance

Wenn der Skitourismus überhaupt eine Zukunft hat. „Die bayerischen Alpen gehören zu den Verlierern des Klimawandels“, sagt selbst der Vertreter der Industrie- und Handelskammer, Robert Obermeier: „Jedem Vernünftigen ist klar, dass wir andere Angebotsstrukturen brauchen.“ Eine Studie, die Jürgen Schmude von der Uni München 2014 vorgelegt hat, besagt: Aufgrund der Klimaerwärmung hat in Deutschland bis zum Jahr 2050 nur noch die Zugspitze eine Chance als Skigebiet. Sie ist knapp 3000 Meter hoch. Alles was bei 1500 Metern Höhe aufhöre – also die meisten der 97 Skigebiete Bayerns – sei aufgrund des immer höheren Aufwands für künstliche Beschneiung nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, schreibt Schmude. Die Bergstation auf dem Riedberger Horn liegt gerade einmal 1700 Meter hoch.

Langfristig, meint Schmude, sei „Skifahren in den bayerischen Alpen ein Modell der Vergangenheit“. Ökonomisch lohne sich in ausgewählten Gebieten gerade noch eine letzte Investitionsrunde in Schneekanonen, Lifte, Betriebe. Beim Fachgespräch im Landtag fragten sich die Experten, ob eine weitere steuerliche Förderung für Ski-Anlagen überhaupt noch sinnvoll sei.

Bätzing wiederum sieht im kleinräumig gebliebenen Charakter des bayerischen Skizirkus eine Chance. Wer nicht so abhängig sei vom Abfahrtstourismus wie die Nachbarn in Österreich, der könne den nötigen Wandel leichter bewerkstelligen und jenes Image stärken, das die bayerischen Alpen so attraktiv mache: das Image einer „vergleichsweise gut erhaltenen Natur-, Kultur- und Kulinarik-Landschaft“, verbunden mit einer Berglandwirtschaft, die diese Landschaft nicht nur erhalte, sondern die durch regionale Qualitätsprodukte ihre „eigenen Wertschöpfungsketten“ aufbaue. Von denen lasse sich leben.

Allzu schöne, allzu begehrte Landschaft

Das Problem der bayerischen Alpen, auch das wurde beim Fachgespräch deutlich, ist vielleicht weniger der sterbende Wintertourismus; eher schon die „gute, schöne, gesunde“ Landschaft als solche: Es wollen immer mehr Leute dort wohnen. Bürgermeister Rudi Jantke aus Grassau am Chiemsee sagt, Ruheständler aus ganz Deutschland – alles frühere, begeisterte Urlauber –, drängten derart in die Region, dass einheimische Familien keine Wohnungen mehr fänden. Berufstätige aus dem nahen, dominanten Ballungsraum München, so ergänzt Werner Bätzing, zögen an den Alpenrand, um bei der Miete zu sparen und von Großstadt und Land gleichzeitig zu profitieren. „Besonders reiche Leute“ bedrängten ferner die Alpengemeinden etwa im Tegernseer Tal, um für ihre Villen „möglichst weit oben“ die aussichtsreichsten Bauplätze zu bekommen, sagt Hans Kornprobst von den Bayerischen Staatsforsten. Und dann, so sagen Naturschützer aus den Gemeinden, seien da noch die eigenen, starken Gewerbebetriebe, die am liebsten abseits der Wohngebiete, auf der schönen grünen Wiese bauen wollten und damit das Landschaftsbild störten.

Das alles erzeugt einen Druck, mit dem Bayerns Alpen erst noch zurechtkommen müssen. Skilifte spielen da gar keine Rolle mehr.