Michael Lutz will an dem Tourismus-Erfolg aus dem Corona-Jahr anknüpfen. Foto: Claudia Barner

Waldenbuch hat im Corona-Jahr eine Tourismus-Offensive gestartet, die Kleinstadt war beliebt bei Tagesgästen aus der Region. Allerdings ist die Stadt auch an ihre Grenzen gestoßen. Der Bürgermeister über ein Jahr mit Höhen und Tiefen.

Waldenbuch - Dolce Vita unter Palmen gab es direkt neben dem Rathaus, die Wanderstiefel wurden am Bezenberg geschnürt, und die örtlichen Gastronomen lieferten die Picknickkörbe fürs Outdoor-Dinner. Im Corona-Jahr 2020 hat sich die Schönbuchstadt Waldenbuch zum beliebten Ausflugsziel für Erholungssuchende aus der Region entwickelt. Warum er die kleine Auszeit vom Alltag gerade jetzt für besonders wichtig hält und wie die Stadt das neue Tourismus-Konzept zukunftstauglich machen will, erzählt der Waldenbucher Bürgermeister Michael Lutz im Interview.

Herr Lutz, 2020 hat Ihnen viel abverlangt. Gemeinsam mit Ihrer Frau waren Sie zweimal in Quarantäne, und die Kommunalpolitik ist bis heute nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Mit welchen Gefühlen beenden Sie dieses Jahr?

Die Schicksale, mit denen ich in den letzten Monaten persönlich konfrontiert war, berühren mich sehr. Wir sehen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, wenn man für sich und seine Familie sagen kann, dass alle gesund und fit sind. Von daher verspüre ich trotz aller Aufs und Abs zum Jahresende auch eine gewisse Zufriedenheit. Ich denke, wir haben die Situation als Bürgergemeinschaft bisher gut gemeistert.

Als das Leben im März erstmals heruntergefahren wurde, haben Sie die Weichen neu gestellt. Das Amtsblatt wurde zur Mitmachzeitung, und gemeinsam mit den Museen, der Gastronomie und den Einzelhändlern entstand eine Tourismus-Offensive für den Sommer. Gab es in der Krise nicht andere Probleme?

Wir dürfen nicht unterschätzen, was die Pandemie mit den Menschen macht. Soziale Isolation und Vereinsamung sehe ich neben den gesundheitlichen Aspekten als größte Gefahr. Wir wollten auf jeden Fall vermeiden, dass jemandem die Decke auf den Kopf fällt. Deshalb haben wir die Bevölkerung abgeholt und gezeigt: Da geht noch was. Das gehört für mich zur Daseinsvorsorge dazu, wenn die Vereinsarbeit ruht, die ebenfalls soziale und finanzielle Einbußen zählt, und Hallenbad, Musikschule oder Sportanlagen geschlossen sind. Die positiven Rückmeldungen haben gezeigt, dass wir die Menschen begeistern und durch das Alltagstief führen konnten. Deshalb haben wir gemeinsam entschieden, die Aktionen weiterzuentwickeln und im Sommer das Urlaubsgefühl nach Waldenbuch zu holen.

Sie haben den Tourismus-Turbo gezündet. Mitunter aber hat man das Gefühl, die Stadt ist damit überfordert. Ein Beispiel waren die völlig überlaufenen Parkplätze am Premiumwanderweg. Ist Waldenbuch auf so viele Besucher überhaupt vorbereitet?

Ich sehe das positiv. Wir können doch froh sein, dass wir den Menschen mit dem Herzog-Jäger-Pfad ein sicheres und qualitativ hochwertiges Angebot machen können. Dass wir dadurch auch Erholungssuchende von außerhalb erreichen, war von jeher der Plan. Corona hat das natürlich verstärkt, weil die Leute sich bewusst mit den Möglichkeiten in ihrem Umfeld beschäftigt haben. Wir wollen da nicht nachlassen. Ich hoffe auf weitere Besucher in der Zukunft und halte es für naheliegend, wenn sich der Gemeinderat vor diesem Hintergrund noch mal Gedanken über die Möglichkeit einer zusätzlichen Bushaltestelle am Braunacker macht.

Ein besonderes Sorgenkind ist die Gastronomie. 200 Picknick-Körbe wurden zwar verkauft, Hochzeiten, Konfirmationen und Weihnachtsfeiern aber fielen aus. Hat die pfiffige Aktion wirklich geholfen, oder war sie nur Kosmetik?

Die verlorenen Umsätze konnten damit nicht aufgefangen werden. Das ist die Realität. Vieles rüttelt an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit. Umso mehr freue ich mich über die Bereitschaft der Betriebe, sich zu zeigen und den langjährigen Kunden ein positives Signal zu senden. So fügt sich dann eines zum anderen: Wir hatten Besuch von einer Bloggerin, die das Angebot über Instagram kommuniziert und mit 6700 Aufrufen ganz neue Kundengruppen angesprochen hat.

Welche Rolle spielen das Museum der Alltagskultur und das Museum Ritter für den Tourismus in Waldenbuch?

Die historische Altstadt und die beiden Museen sind unsere Lebensversicherung im Hinblick auf die Vielfalt und Attraktivität der Stadt. Für eine Kleinstadt sind sie ein ganz besonderer Schatz. Kunst, Kultur und Musik begeistern die Menschen und sind wichtig fürs Wohlbefinden. Sie machen Mut für die Zukunft. Auch den Gewerbe- und Handelsverein möchte ich an dieser Stelle erwähnen. Mit solchen Partnern an der Seite darf man schon sehr dankbar sein.

Irgendwann wird Waldenbuch wieder mit dem Louvre oder der Cote D’Azur konkurrieren. Landet das Thema Tourismus dann in der Schublade, oder wie bleiben Sie am Ball?

Städte und Gemeinden werden sich in der Nach-Corona-Zeit weiterentwickeln. Wir sehen hier bei uns einen Wandel hin zu mehr Dienstleistung in Handel und Gewerbe. 2020 haben trotz aller Schwierigkeiten fünf neue Geschäfte in der Altstadt eröffnet. Diese Menschen engagieren sich für die Zukunft. Daran knüpfen wir an und möchten den Tourismus als weiteres Standbein dauerhaft stärken. Wir wissen jetzt: Mit neuen, pfiffigen und unkonventionellen Ideen kann man viel bewegen. Diesen Weg wollen wir mit Unterstützung des Gemeinderats weiter gehen.