Markenzeichen für den Schwarzwald: Das Schwarzwaldmädel mit Bollenhut Foto: Bergwerk Marketing

Baden-Württemberg setzt im Kampf um Touristen auf die Schwerpunkte Genuss, Natur, Wohlsein und Kultur – und jetzt auch auf eine Zusammenarbeit mit der württembergischen und badischen Landeskirche.

Berlin/Stuttgart - Anna-Laura Dzelic zieht die Blicke nur so auf sich. Das liegt aber nicht nur an ihrem hübschen Gesicht mit den rötlich leuchtenden Bäckchen und den rehbraunen Augen, mit denen sie die vorbeigehenden Messebesucher mustert. Es ist ihr ganz besonderes Outfit, das sie in Halle 6.2 des Berliner Messegeländes zum Blickfang werden lässt: Dzelic trägt eine Tracht und einen roten Bollenhut.

Und damit wirbt sie an diesem Nachmittag für Baden-Württemberg als Reiseziel. Oder genauer gesagt: für den Schwarzwald. Der Bollenhut ist in den vergangenen Jahrhunderten zum Markenzeichen einer ganzen Region geworden – und das, obwohl er ursprünglich nur eine lokale Modeerscheinung war.

Die Geschichte des Bollenhuts reicht bis ins Jahr 1797 zurück. Der württembergische Herzog ordnete damals die Fertigung von Strohhüten mit Kreisen in den Württemberg-Farben Schwarz und Rot an, um die Trachtenmode zu beleben. Die meisten Hutmacher malten die Kreise auf. Nur die Hersteller in den damals noch württembergischen – und damit evangelischen – Gemeinden Gutach, Kirnbach und Reichenbach im Kinzigtal brachten 14 Wollknäuel auf den Hüten an.

Bollenhut, Kuckucksuhr und Schwarzwälder Kirschtorte

Es entwickelte sich der Brauch, dass junge Mädchen von der Konfirmation an den Hut mit den roten Bollen trugen – bis sie heirateten. Die verheirateten Frauen bekamen einen Hut mit schwarzen Bollen. Das blieb auch so, als die drei Gemeinden im Zuge der napoleonischen Neuordnung von Süddeutschland 1810 badisch wurden.

International bekannt ist der Bollenhut Ende des 19. Jahrhunderts durch Postkartenmotive und nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Operettenverfilmung des Stücks Schwarzwaldmädel geworden.

Es seien kulturelle Güter wie der Bollenhut, die Kuckucksuhr und die Schwarzwälder Kirschtorte, die den Südwesten für Touristen aus den USA attraktiv machen, sagt Ricarda Lindner. Sie ist die Chefin der Deutschen Zentrale für Tourismus in New York. „Mit Traditionen und Brauchtum kann man Baden-Württemberg super emotionalisieren“, sagt Lindner, „und der Bollenhut, die Kuckucksuhr und die Schwarzwälder Kirschtorte haben einen unheimlich hohen Wiedererkennungswert.“ Auch die kulinarischen Angebote seien Gründe für US-Amerikaner, in den Südwesten zu reisen.

Doch Genuss und Kultur sind lediglich zwei von vier Eckpfeilern im baden-württembergischen Tourismus-Konzept. Die beiden anderen sind Wohlsein und Natur. Und die Marketingstrategie scheint aufzugehen. 2014 verzeichnete das Land 49 Millionen Übernachtungen – so viele wie nie zuvor.

24 Schauplätze der Reformation im Fokus

Tourismusminister Alexander Bonde (Grüne) hofft in den nächsten Jahren auf noch mehr Gäste. Baden-Württemberg setzt dabei weiter auf seine fesselnde Geschichte. In Zusammenarbeit mit den beiden evangelischen Landeskirchen rückt das Land von diesem Jahr an 24 Schauplätze der Reformation in den Fokus – bereits zwei Jahre vor dem 500. Jahrestag des Reformationsbeginns. 1517 hatte Martin Luther 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen und die Reformation damit in Gang gebracht.

„Die Reformation hat auch tiefe Spuren in Baden-Württemberg hinterlassen“, sagte Bonde auf der 49. Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin. Das Projekt solle aufzeigen, wie stark die Reformation das Land geprägt habe und wie sichtbar auch knapp 500 Jahre später das Thema in den Städten und Gemeinden geblieben sei. Auch im Kinzigtal hat die Reformation Spuren hinterlassen. Denn ohne die Protestanten hätte es wohl auch keine Bollenhüte gegeben.

Zu den 24 ausgewählten Schauplätzen gehören Stuttgart, Tübingen, Ulm, Bad Urach, Blaubeuren, Bretten, Emmendingen, Esslingen, Gemmingen, Gengenbach, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe-Durlach, Konstanz, Maulbronn, Pforzheim, Ravensburg, Reutlingen, Schwäbisch Hall, Speyer, Waldshut und Wertheim sowie Basel und Straßburg.

Zahl der zertifizierten Wanderwege verdoppelt

Einen enormen Wachstumsmarkt sehen Experten auf der größten Tourismusmesse der Welt in umweltverträglichen, nachhaltigen Urlaubsangeboten. Baden-Württemberg ist auf diesem Feld der Pionier unter den Bundesländern. Bereits seit 2012 bündelt die Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) die landesweiten Angebote in einem Projekt namens Grüner Süden.

Erst vor kurzem hat die TMBW zudem Urlaubsregionen und -orte nach neu entwickelten Kriterien der Nachhaltigkeit klassifiziert. Das Siegel „Nachhaltiges Reiseziel“ bekamen bisher die Stadt Stuttgart, der Kurort Bad Dürrheim, der Naturpark Schwäbischer-Fränkischer Wald und der Europa-Park in Rust. Weitere Anwärter auf das Siegel sind Bad Herrenalb, Bad Krozingen, Baiersbronn sowie die Tourismusgemeinschaften Hochschwarzwald und Nordschwarzwald.

Auch für Wanderer wird das Land immer attraktiver: In den vergangenen zwei Jahren wurde die Zahl der zertifizierten Wanderwege verdoppelt – auf mittlerweile rund 80. „Das unterstreicht die Stellung Baden-Württembergs als eine der wichtigsten Wanderdestinationen Deutschlands“, sagte TMBW-Geschäftsführer Andreas Braun. Vor allem auf der Schwäbischen Alb – rund um Sigmaringen, rund um Bad Urach und im Donaubergland – seien zuletzt viele neue sogenannte Premium-Wanderwege, die vom Deutschen Wanderinstitut und Deutschen Wanderverbandabgenommen wurden, hinzugekommen.