Ein der großen Attraktionen für Touristen: das Mercedes-Museum Foto: MediaPortal Daimler AG

Stuttgart ist für Geschäftsreisende und Touristen so beliebt wie nie. Im vergangenen Jahr gab es 1,8 Millionen Gäste, die im Schnitt etwa zwei Nächte in der Stadt übernachtet haben.

Stuttgart - Statistik und Emotionen – das ist wie Uran und Urin. Das passt nicht zusammen. Beim Leiter des Statistischen Amtes der Stadt ist das anders. „Es ist mir eine große Freude, die Zahlen der Tourismus-Bilanz zu präsentieren“, sagte der Lokalpatriot Thomas Schwarz am Mittwoch und warf Zahlenkolonnen samt Grafiken per Projektor an die Wand. Seine Kernbotschaft lautet: „Stuttgart hat im Jahr 2014 die Rekorde bei den Gäste- und Übernachtungszahlen eingestellt.“ So weit die Fakten. Aber Thomas Schwarz und Armin Dellnitz, Geschäftsführer der Stuttgart-Marketing GmbH, können an diesem Tag auch andere interessante Details über den Tourismus und dessen Hintergründe erklären:

Wo steigt der Tourist ab?
Meistens in einem der 10 826 Hotelbetten, die 57 Prozent der Stuttgarter Übernachtungskapazität abdecken. 2014 gab es 1 977 989 Übernachtungen in Hotels. Gefolgt von 997 556 Übernachtungen in Hotel-garni-Betrieben, 87 393 in Pensionen und 325 528 in Apartments, Ferienheimen oder Jugendherbergen. Camper machten 600 Übernachtungen aus.
Hat Stuttgart genug Betten?
Noch reicht es. Aber wenn sich der positive Trend fortsetzt, könnte es knapp werden. Schon jetzt haben die Hotels eine Auslastung von 68 Prozent. Schon bei 60 Prozent spricht man in der Hotellerie von einem gut laufenden Betrieb. „In den vergangenen zwei Jahren hat es in Stuttgart 2000 zusätzliche Betten gegeben“, sagt Dellnitz, „das klingt viel, ist aber eher unterdurchschnittlich.“
Warum kommen die Leute?
Da muss Dellnitz nicht lange überlegen. „Sie wollen eine Stadt mit Kultur erleben, aus der das Auto kommt.“ Vier Faktoren prägen das Image der Stadt: Porsche, Mercedes, das kulturelle Angebot und der VfB. Aber auch von den Musicals, dem Einkaufsstandort Metzingen oder dem Schloss in Ludwigsburg profitiert die Touristikbranche. Das Verhältnis der Übernachtungen deutscher und ausländischer Besucher beträgt 2014 71:29.
Wie wirkt ein Abstieg des VfB?
„Die wirtschaftlichen Folgen eines Abstiegs in die zweite Liga würden sich wohl in Grenzen halten“, glaubt Armin Dellnitz, „aber für das Image der Stadt wäre es problematisch. Der VfB Stuttgart lädt die Marke Stuttgart auf, deshalb darf man einen Abstieg nicht unterschätzen.“ Spüren dürften ihn auch der Handel oder die Gastronomen, die bisher von den Fans der Gästemannschaften profitieren.
Was sind die stärksten Monate?
Stärkster Monat ist der Oktober. Von insgesamt 357 721 Übernachten buchten 101 205- mal ausländische Besucher. „Im Mai und Oktober tragen in der Regel internationale Kongresse und Messen sowie das Volksfest zu einer guten Monatsbilanz bei. Erfreulich ist die Entwicklung der städtetouristisch starken Monate Juli, August und Dezember. Anteil daran hatten sicherlich die große Anzahl an hochkarätigen Musik- und Open- Air-Veranstaltungen im Hochsommer sowie der international beliebte Weihnachtsmarkt im Advent“, sagt Dellnitz.
Wird 2015 noch besser?
„2014 war wunderbar“, sagt Dellnitz, „aber das Jahr 2015 wird nicht in dieser Selbstverständlichkeit weitergehen. Ich prognostiziere weiteres Wachstum und rechne bis Jahresende mit einem Anstieg von etwa zwei bis drei Prozent gegenüber dem Vorjahr.“ Zudem hofft er auf die positiven Effekte des Kirchentags (3. bis 7. Juni) in Stuttgart. Das Christentreffen soll nachhaltig wirken: „Wenn der Kirchentag als Plattform für die Außendarstellung funktioniert, haben wir mehr erreicht als mit 500 Anzeigenseiten.“
Warum weniger Holländer?
„Der Holländer ist dafür bekannt, dass er nicht der große Städtereisende ist“, sagt Dellnitz zum Rückgang der niederländischen Besucher und verweist auf zwei andere Trends: Keine Nation legte 2014 so zu (plus 42,7 Prozent) wie China. Die 50 223 Touristen aus dem Reich der Mitte seien fasziniert von Porsche und Mercedes. Zudem steht bei den markenverliebten Asiaten ein Konsumgut ganz oben auf der Einkaufsliste: WMF-Kochtöpfe. Auch das Kaufhaus Breuninger hat sich bereits auf diesen Trend eingerichtet. Seit einiger Zeit beschäftigt Breuninger eine chinesischsprachige Verkäuferin. Unabhängig davon bleibt der US-Amerikaner mit 155 571 Übernachtungen Spitzenreiter in der Statistik der ausländischen Gäste.
Was zieht Araber nach Stuttgart?
Viele der 32 740 Besucher aus den arabischen Golfstaaten nutzen die medizinische Infrastruktur der Stadt. „Besonders die Kindermedizin ist bei diesen Besuchern gefragt“, weiß Dellnitz, „daher reist meistens die ganze Familie mit. Und das wirkt sich eben auf die Übernachtungszahlen aus.“