Tiemo Hauer vermeidet auf seinem neuen Album „Vernunft, Vernunft“ die Banalität der Vorgängerplatte. Im Interview erklärt er, ob beim Tourabschluss im Wizemann wie im Video ein Electro-Duo auf der Bühne stehen wird.
Stuttgart - Tiemo Hauer beschließt am Samstag im Wizemann in Stuttgart seine Deutschland-Tour. Und ja, darauf darf man gespannt sein. Nach seinem musikalisch mittelmäßig inspirierten und textlich enttäuschenden Album „Camille“ aus dem Jahr 2014 hat Hauer sich und seinen Sound verändert.
Schon die erste Lautmeldung des Stuttgarter Songschreibers Ende November zum neuen Album „Vernunft, Vernunft“ deutete an, dass etwas grundlegend Neues kommt. In dem Video sieht man Hauer und einen Kompagnon, wie sie eine Batterie elektronischer Instrumente bedienen. Der Song dazu – „Benzin“ – eröffnet das Album und klingt ergo viel maschinenhafter als das gitarrenselige Pop-Potpourri der Vorgängerplatte.
Dieser Sound ist frischer und man hört, dass Hauer ihn auf Albumlänge durchhalten will. Da liegen jetzt Synthesizertonwelten unter seiner Stimme. Wenn ein Song nach Band klingen soll, etwa in „Der kleine Tod“, klingt das an den meisten Stellen so unüberhörbar nach Samples und programmiertem Schlagzeug, dass man fast Selbstironie gegenüber dem bisherigen Tun herauszuhören meint.
Selbstironie passt nun zu Tiemo Hauer so gar nicht – also zu einem, der jugendliches Zweifeln zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Es scheint, um im Bilde zu bleiben, als habe dieses Zweifeln den Musiker geformt und gebildet. Der echte Hauer sowie die Kunstfigur werden eben auch älter. Er rebelliert jetzt gegen die Alltagssorgen des eigenen Haushalts (im Song „Funktionieren“), will „ein bisschen Reden ohne WhatsApp ... ein bisschen Sex ohne Internet“ („Nostalgie“) und traut sich bei „In Melodien“ auch mal einen in hell leuchtendem Dur geschriebenen Song.
Tiemo Hauer im Interview
So ganz hat sich Tiemo Hauer dann übrigens doch nicht zu einem reinen Electropop-Album durchgerungen; der letzte Song „Auf dem Weg verloren“ ist dann doch wieder so eine Abschiedshymne mit Band und Akustikklampfe. Dafür aber formal erfreulich offen und wie die 46 Minuten davor auch textlich Welten von der Banalität des Vorgängeralbums entfernt. Was natürlich alles Geschmackssache ist; viele Tiemo-Hauer-Fans lieben ihn gerade für die Lyrics der frühen Songs.
Deshalb endet der Part Geschmackspolizei an dieser Stelle und wir lassen den Künstler selbst zu Wort kommen!