Eigentlich sollten diese Woche die ersten Produktionsanlagen in Schweden schließen, stattdessen haben sich neue Interessenten für die Kultautos mit dem bekronten Greifvogel auf der Motorhaube gefunden.

Stuttgart/Stockholm - Noch ist der Adler nicht abgestürzt: Eigentlich sollten diese Woche die ersten Produktionsanlagen in Schweden schließen, stattdessen haben sich neue Interessenten für die Kultautos mit dem bekronten Greifvogel auf der Motorhaube gefunden. Womöglich hat Saab doch noch eine Überlebenschance.

In seinen über 60 Jahren Autogeschichte war Saab mehrfach seiner Zeit voraus: Seitenaufprallschutz, beheizbare Vordersitze, Sicherheitsgurte, Wischer für die Scheinwerfer und ein Motor, der mit Bioethanol sogar schneller fährt als mit herkömmlichem Benzin - all dies hat der schwedische Autobauer erfunden oder als einer der ersten in der Branche in Serie eingeführt. Vielleicht ist es dieser Innovationskraft geschuldet, dass Saab in den vergangenen Monaten mehrfach seinem Schicksal davonlaufen und das drohende Aus für die Traditionsmarke abwenden konnte. Auch jetzt sieht es wieder einmal so aus - zwei Tage, nachdem der neue Chef der US-Firmenmutter General Motors (GM), Ed Whitacre, erklärt hat, es gebe keine Hoffnung mehr auf Rettung. Die Saab-Produktion werde eingestellt.

Die Wende könnte Formel-1-Chef Bernie Ecclestone bringen: Der Brite will die Kultmarke, die fast 20 Jahre nur Verluste gemacht hat, retten. Als Partner holte sich Ecclestone den in Luxemburg ansässigen Finanzinvestoren Genii Capital ins Boot, der zuletzt beim Formel-1-Team von Renault eingestiegen ist. Das Bündnis sei vor allem vom Wert der Saab-Marke überzeugt, erklärte ein Sprecher des Konsortiums - diese sei in der Vergangenheit nur etwas vernachlässigt worden. Auch wenn sich Genii/Ecclestone spät ins Rennen eingeschaltet haben und die Höhe ihres Gebots geheim halten, werde die Gruppe "mit allen relevanten Akteuren aggressiv für einen erfolgreichen Abschluss der Transaktion" arbeiten, hieß es. Den noch bis Montag im Urlaub befindlichen verbliebenen 3400 Saab-Angestellten im südschwedischen Trollhättan gibt das neue Hoffnung, Manager von Saab wollten noch am Freitag in Stockholm die neue Lage beraten.

Auch der niederländische Sportwagenhersteller Spyker soll kurz vor Ablauf der Frist in der Nacht zum Freitag ein neues Angebot vorgelegt haben. Als dritter Bieter ist zudem der Schwede Håkan Samuelsson aufgetaucht, der im vergangenen Jahr von der Spitze des deutschen Bus- und Lkw-Produzenten MAN zurückgetreten war. Er hat sich mit Jan Nygren verbündet, der in den 90er Jahren dem Kabinett in Stockholm angehörte und einst Manager beim Luftfahrt-Ableger von Saab war. "Viele, nicht nur ich, glauben, dass es in vielerlei Hinsicht unglücklich wäre, wenn Saab als Produkt und Marke verschwinden würde", sagte Nygren dem schwedischen Radio.

Die Käufergemeinschaft will Saabs Produktion kräftig senken und vor allem auf Qualität im neuen Saab 9-5 setzten. Ein ähnliches Konzept hatte 2009 auch der bisher aussichtsreichste Übernahmekandidat, der schwedische Luxussportwagenhersteller Koenigsegg. Letzterer zog sich im Herbst überraschend zurück, seither verhandelte die Saab-Mutter GM fast ausschließlich mit Spyker Cars. Kurz vor Weihnachten galten die Gespräche als gescheitert. Als Zeitpunkt für den beginnenden Niedergang der Kultmarke wird meist das Jahr 1989 genannt - damals verlor der schwedische Autobauer mit dem Einstieg von GM seine Unabhängigkeit.

Dabei hatte alles vielversprechend begonnen: Saab machte sich ab 1937 mit dem Bau von Militärflugzeugen einen Namen, nach dem Krieg schwenkte das Unternehmen auf Autos um. Vor allem der Ur-Saab von 1947, das Modell 92001, trug die Handschrift der Flugzeugtechniker: Mit seiner aerodynamischen Form sah das 25 PS starke Gefährt von hinten eher einem Flugzeug als einem Auto ähnlich, damals formulierten die Techniker fünf Kriterien, die den Saab-Bau viele Jahre geprägt haben. Neben einer guten Aerodynamik zählen dazu ein zeitloses Design, wenig Gewicht, Frontantrieb und eine widerstandsfähige Stahlkarosserie.

Vor allem wegen ihres unkonventionellen Aussehens, aber auch wegen ihrer Zuverlässigkeit fanden Saab-Modelle schnell Liebhaber, die Hauptkundschaft wird gemeinhin als intellektuelle Sonderlinge umschrieben. Offenbar gibt es davon aber zu wenige, um erfolgreich wirtschaften zu können. Aus Sicht schwedischer Autoexperten blieb die Marke zu klein und verpasste es im Zuge der Globalisierung die "richtige Ehe einzugehen".

Den Todesstoß lasten viele ausgerechnet dem US-Eigentümer an, der einst als Retter in der Not gefeiert wurde. GM wird vorgeworfen, die Qualität der Marke mit billigeren Komponenten aus Konzernteilen so verwässert zu haben, dass Saab die verbliebene Kundschaft abhandenkam und die Marke nunmehr als Pannenauto verschrien ist. Heute verkauft Saab nur noch rund 70 Autos am Tag weltweit, allein im Jahr 2008 brach der Absatz gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent ein.

Wann die Entscheidung über das endgültige Aus oder eine Rettung der Marke durch Verkauf an einen der Interessenten fällt, weiß keiner. Frühestens nächste Woche wird eine Äußerung GMs erwartet. In der Zwischenzeit läuft die Produktion am Montag wie geplant zunächst wieder an, der Nervenkrieg für die Mitarbeiter geht weiter.

In den USA, neben Großbritannien dem Land außerhalb Skandinaviens, in dem die Autos besonders beliebt sind, gab es zuletzt zahlreiche Demonstrationen von Fans. Ihre Botschaft: Verkauft Saab, bitte gebt die Marke nicht auf. Vielleicht hat das den Vorstand der US-Mutter ja gnädiger gestimmt, hofft nun ganz Schweden.