Kaspar Hauser inspiriert seit jeher die Kunst – hier Andre Eisermann (li.) als Kaspar und Udo Samel als Lehrer Daumer in einem Film von 1993. Foto: ARTE

Schleier um Identität des Findelkinds ließe sich womöglich lüften, doch Grün-Rot will nicht.

Pforzheim - Echte Kaspar-Hauser-Fans benötigen keine Jahrestage, um den Mythos zu pflegen. Die Geschichte, wonach der angebliche badische Erbprinz kurz nach seiner Geburt gegen einen sterbenden Säugling vertauscht wurde, um so einer Nebenlinie die Thronfolge zu ermöglichen, wird seit Jahrhunderten in allen möglichen Varianten erzählt: Dichtung und Wahrheit sind nur schwer zu unterscheiden. Der schlüssige Beweis für die adelige Herkunft oder Nicht-Herkunft Hausers, der 1833 unter rätselhaften Umständen starb, fehlt aber bis heute.

Pünktlich zum (angeblichen) 200. Geburtstag Hausers nährt nun der Karlsruher Rechtshistoriker Winfried Klein die Hoffnung all jener, die den Schleier tatsächlich lüften wollen. In einem langen Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zeigt er die Möglichkeit auf für einen neuen Gen-Vergleich zwischen Hauser, seiner vermeintlichen Mutter Stephanie de Beauharnais, seinem möglichen Bruder Alexander und einem namenlos bestatteten Erbprinzen.

Ein solcher Test scheiterte bislang daran, dass das Haus Baden die Särge in der Pforzheimer Fürstengruft nicht antasten ließ. Klein kommt nun zum Schluss, dass das Land dafür überhaupt keine Genehmigung benötigt, weil es längst Eigentümer der Schlosskirche mitsamt der kompletten Fürstengruft sei.

„Das Land Baden-Württemberg ist nun am Zug“

„Postmortale Persönlichkeitsrechte und damit auch der strafrechtliche Schutz der Totenruhe stehen einem Zutritt zur Gruft und einer molekulargenetischen Untersuchung der hier interessierenden menschlichen Überreste nicht mehr im Weg“, schreibt Klein und fügt hinzu: „Das Land Baden-Württemberg ist nun am Zug.“

Das hat den Pforzheimer FDP-Abgeordneten und Fraktionschef im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, zur Nachfrage beim Wirtschafts- und Finanzministerium gereizt, was das Land denn nun zu tun gedenke. Die Antwort lautet im Prinzip: Nichts. Zum einen seien die Eigentumsfragen „so komplex, dass eine abschließende Bewertung noch nicht erfolgen kann“. Und selbst wenn das Land Eigentümer sei, würde es sich „an den Grundsätzen der Pietät und denkmalpflegerischen Erfordernissen orientieren“.

Rülke fühlt sich damit leicht genarrt, denn dass die Dinge komplex sind, hat er sich schon selbst gedacht: „Ich will wissen, was die Landesregierung nun tun will“, sagte er unserer Zeitung. Es gehe ihm nicht darum, am Mythos Kaspar Hauser zu feilen, sondern um die Frage, wie Grün-Rot mit dem historischen Erbe des Landes umgeht, sagt er. Und dazu gehöre eben eine Antwort auf die Frage, wem die zahlreichen Särge aus mehreren Jahrhunderten gehören.

Ist also ausgerechnet der kleine, namenlose Erbprinz verschwunden, der vielleicht gar kein Prinz ist?

Angefacht wird sein Interesse noch durch den Umstand, dass zwei der Kindersärge fehlen – was das Finanzministerium offiziell bestätigt. „Bei einer Bestandsaufnahme wurde 1983 festgestellt, dass der vorgefundene Bestand an Särgen mit einer Inventarliste aus der Vorkriegszeit nicht übereinstimmt“, teilt die Behörde mit. Welche Kindersärge das aber nun sind und wie es zu ihrem Verlust kam, sei nicht bekannt: „Sie könnten in den Kriegs- beziehungsweise Nachkriegswirren in der zerstörten Kirche abhandengekommen sein.“

Ist also ausgerechnet der kleine, namenlose Erbprinz verschwunden, der vielleicht gar kein Prinz ist? „Eigenartig“, meint Rülke. Auch aus diesem Grund will er wissen, wie die Eigentumsverhältnisse sind, und droht mit „besonderen Maßnahmen“, falls das Land weitere Auskünfte verweigert. Schon in einem anderen Fall hatte er eine Klage vor dem Staatsgerichtshof wegen der grün-roten Einsilbigkeit angedeutet.

Dabei lässt die Regierung keinen Zweifel daran, dass sie einen Gentest niemals billigen würde – wie immer die Eigentumsfrage auch beantwortet wird. „Die Fürstengruft Pforzheim ist ein Ort der Totenruhe“, sagt eine Sprecherin. Bei der Abwägung, einen Mythos weiter zu beleben oder Religion und Pietät zu achten, sei dem Respekt vor Verstorbenen „der Vorrang einzuräumen“.