Verrückte Paraden und eine ungewöhnliche Beziehung: Torwart Silvio Heinevetter ist der einzige Star im deutschen Nationalteam. Foto: dpa

Die Handball-Nationalmannschaft besticht bei der WM durch Ausgeglichenheit. Doch ohne Einzelkönner Silvio Heinevetter hätte sie kaum das Viertelfinale am Mittwoch gegen Spanien erreicht. Der Torwart ist ein Mann, der gerne feiert, und ehrgeizig bis zur Besessenheit ist.

Barcelona - Silvio Heinevetter riss die Augen weit auf. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. Was er denn vor seiner spielentscheidenden Parade im WM-Achtelfinale gegen Mazedonien gedacht habe? „Ob ich zu Hause das Licht und die Waschmaschine ausgemacht habe“, antwortete er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Die Antwort war typisch Heinevetter. Er mag das Ungewöhnliche. Auf dem Feld macht er Bewegungen, die in keinem Lehrbuch stehen. Er fliegt in abenteuerlicher Körperhaltung durch den Kreis, im Spagat, oft auch mit dem Fuß über dem Kopf pariert er die Geschosse. „Mir war klar, dass irgendwann ein Spiel kommt, das er fast alleine entscheidet. Gegen Mazedonien war das der Fall“, sagte Bundestrainer Martin Heuberger.

Der Keeper sorgt durch seine herausragenden Leistungen auf der Handball-Bühne für Aufsehen. Doch auch auf dem roten Teppich macht er eine gute Figur – an der Seite seiner Freundin, der knapp 20 Jahre älteren Schauspielerin Simone Thomalla (47). „Was ist das Mutigste, was Sie bisher getan haben“, wurde er in einem „Spiegel“-Interview vor der WM gefragt. „Hmm – ich denke, das ist Simone“, antwortete er. Es sei eine Herausforderung, das Leben mit einer solch erfolgreichen Frau zu teilen. „Publicity ist für meine Freundin eine Art Währung, die dazugehört“, sagt der bekennende Schlager-Fan und passionierte Skatspieler. Doch vom Mr. Hollywood des deutschen Handballs profitiert die gesamte Branche. In der Nationalmannschaft ist er der einzige Weltstar mit Glamourfaktor. Und auch sein Verein Füchse Berlin bekommt die erhöhte Aufmerksamkeit zu spüren. „Ich muss immer noch zusätzlich Pressekarten austeilen, weil Gala, Bunte und wie die Blätter alle heißen auch Handball sehen wollten“, sagt Manager Bob Hanning. Die laufende WM bringt einen neuen Schub. Die Nachfrage nach Karten für das Champions-League-Spiel gegen Barcelona im Februar habe mächtig angezogen. „Die Arena wird mit 13.000 Fans ausverkauft sein“, sagt Hanning stolz.

„Silvio braucht diese familiäre Atmosphäre, die Nähe zu den Eltern“

Sorgen, dass ihm sein Superstar (Vertrag bis 2014) abhanden kommt, hat der Berliner Macher nicht. Im Gegenteil. „Ich kann mir sogar vorstellen, dass er seine Karriere bei den Füchsen beendet“, meint Hanning – und feuert seine Argumente stichwortartig ab: „Der Trainer, die Liga, die Einsatzzeiten, die Stadt, die Halle.“ Dann macht er einen Moment Pause und nennt den wichtigsten Aspekt: Den Wohlfühlfaktor. „Silvio braucht diese familiäre Atmosphäre, die Nähe zu den Eltern.“ Vater und Mutter wohnen in Thüringen. Dort in seiner Heimatstadt Bad Langensalza hat er mit Handball begonnen. Und dort stand im Alter von 16 Jahren der Beginn seine Karriere auf der Kippe. Da er als Fünfjähriger wegen eines Lochs an der Herzscheidewand hatte operiert werden müssen, verlangten seine Eltern vor dem Sprung in den Leistungssport das Okay eines Herzspezialisten. Der Arzt gab grünes Licht, ein Jahr später wechselte Heinevetter aufs Sportgymnasium nach Leipzig. Über die Stationen Concordia Delitzsch und SC Magdeburg landete er 2009 in Berlin.

Woanders könnte er einiges mehr verdienen, als die rund 16.000 Euro netto pro Monat bei den Füchsen. Doch lukrativere Angebote, wie etwa von den Rhein-Neckar Löwen, hat er ausgeschlagen. Und der THW Kiel hat sich für den schwedischen Nationalkeeper Johan Sjöstrand (Aalborg Handbold) als Nachfolger von Thierry Omeyer entschieden. Warum? Der Branchenführer wolle sich keinen verrückten Vogel ins Nest holen, heißt es. Heinevetter feiert gerne, hat sich von Ex-Bundestrainer Heiner Brand auch schon mit Hochprozentigem auf dem Zimmer erwischen lassen. Er liebt das Leben – und den Handball. Und davon profitieren nicht nur die Füchse und die Nationalmannschaft, sondern eine komplette Sportart.