Mit Torte beworfen: Gall bei einer Diskussion in Ludwigsburg Foto: regio TV

Eigentlich wollte Innenminister Gall darüber diskutieren, wie Gewalt verhindert werden kann. Dabei wurde er selbst angegriffen – mit einer Torte.

LuDwigsburg/Stuttgart - Alles geschieht blitzschnell. Innenminister Reinhold Gall sitzt bei einer Tagung in Ludwigsburg vor etwa 120 Zuhörern auf dem Podium und will die erste Frage beantworten. Da schleudert ihm ein junger Mann aus der ersten Reihe dem SPD-Politiker eine Torte entgegen. Sofort stürzen sich Galls Personenschützer auf den Täter und schleppen ihn vor die Tür. Gall wischt sich die Kuchenreste von Gesicht und Anzug und verlässt dann die Veranstaltung ebenfalls.

Der SPD-Politiker ist am Freitag in die Evangelische Hochschule gekommen, um bei einer Anhörung zum Thema „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit von Buchenwald bis zu den NSU-Morden“ mit anderen Experten über den Umgang mit Diskriminierung, Hass und Mord zu diskutieren. Die Veranstaltung hatte bereits begonnen, als fünf junge Männer den voll besetzten Saal betraten. Zunächst lehnten sie sich an die Rückwand, später kam einer von ihnen nach vorne und setzte sich auf einen frei gewordenen Platz in der ersten Reihe, neben einen Redakteur von Regio-TV.

Gall war gerade dabei, eine Frage zu beantworten, da rief einer der jungen Männer von hinten: „Warum richtet ihr keinen NSU-Untersuchungsausschuss ein.“ Während er sich wie viele Gäste in Richtung Zwischenrufer drehte, habe sein Nachbar die Torte geworfen, berichtete der Redakteur. Der Versuch eines Personenschützers, sich noch dazwischenzuwerfen, sei misslungen, hieß es im Innenministerium.

Bei dem Täter handelt es sich um einen 19-Jährigen aus dem Hohenlohekreis. Dieser sei bisher polizeilich nicht auffällig geworden, teilt das Landeskriminalamt mit, das dieErmittlungen übernommen hat. Zu den Gründen für seine Tat habe er bisher geschwiegen. Gegen Abend wurde er wieder freigelassen. Die Ermittlungen würden fortgesetzt, so das Landeskriminalamt.

Diese dürften vor allem die Begleiter des 19-Jährigen betreffen. Sie waren während des Tumults verschwunden. Allerdings dürfte es den Ermittlern nicht allzu schwer fallen, diese ausfindig zu machen, weil sie über Bilder von diesen verfügen. Regio-TV hatte auch Aufnahmen vom Publikum gemacht, diese ließ die Polizei kopieren.

Von Buttercreme und roter Marmelade war auf dem Podium nichts mehr zu sehen, als die Veranstaltung nach einer halbstündigen Unterbrechung weiterging. Allerdings ohne Gall, den Verantwortlichen für den Landesverfassungsschutz – was viele Zuhörer bedauerten.

Der Minister war wegen Beeinträchtigungen des Gehörs in ein Klinik gebracht und untersucht worden und fuhr anschließend in sein Büro in Stuttgart. Die Beeinträchtigung sei wieder abgeklungen, hieß es später. Schwerer traf es einen Personenschützer, der am Bein verletzt wurde und die Wunde nähen lassen musste.

Am Ende der Veranstaltung unterhalten sich noch einmal Studierende und Lehrpersonal in kleinen Grüppchen über die Tortenattacke. Fotos vom Tatort will die Hochschule auf Anraten der Polizei nicht gestatten – auch wenn an den Besuch des Innenministers nur noch ein Namensschild erinnert.

„Wir verurteilen diesen Zwischenfall aufs Schärfste“, sagt Prorektorin Karin Sanders, die während des Vorfalls unter den Zuhörern saß. Die Veranstaltung habe „in großem Maß auch externes Publikum interessiert“. Um ungebetene Gäste fernzuhalten, hatte Verwaltungsdirektorin Beate Käser vor dem Eingangsbereich extra ein Schild aufstellen lassen. Personen aus rechtsextremen Kreisen, so die Botschaft der Tafel, bleibe der Zutritt zur Veranstaltung verwehrt. Die Ermittlungen gehen aber in alle Richtungen.

Innenminister Gall versucht, den Ball flach zu halten. „Ich wüsste gerne, wer die Torte gebacken hat. Leider konnte ich nicht probieren, ob sie mir geschmeckt hätte. Vielleicht kann sich der Täter bei mir melden“, lässt er später mitteilen. Noch hat er sich nicht entschieden, ob er Anzeige gegen den 19-Jährigen wegen versuchter Körperverletzung erstattet.

Dies könnte allerdings auch die Staatsanwaltschaft tun, weil es sich um ein Staatsschutzdelikt handelt. .