Jahrelang ein Hotspot für Ausflügler und Biker, nun macht der Rems-Murr-Kreis Ernst: Die Haltebucht am Tor ins Remstal wird geschlossen. Was das für Besucher bedeutet.
Der Blick ist spektakulär. Wer hier oben steht, sieht Stetten wie ein Postkartenmotiv in den Hang geklebt, Weinberge ziehen sich ins Tal, das Remstal liegt weit und offen unter dem Himmel. Es ist einer dieser Orte, an denen man unwillkürlich anhält – oder eben absichtlich.
Doch bald ist Schluss damit. Der Landkreis macht dicht. Die Haltebucht am „Tor ins Remstal“, jahrelang Treffpunkt für Ausflügler, Wanderer – und für eine bestimmte Sorte Motorradfahrer –, wird im Herbst gesperrt. „Wir müssen handeln“, sagt Stefan Hein. Wie der Verkehrsdezernent unlängst im Kreistagsausschuss mitteilte, hat die Geduld der Behörden ein Ende.
Motorradunfälle häufen sich
Wer die Straße kennt, weiß, wovon Hein spricht. Die L 1199 windet sich zwischen Stetten und Esslingen in einer Doppelkurve den Hang hinauf. Eine perfekte Bühne für schnelle Maschinen. Hein nennt sie eine „Applauskurve“ – ein Wort, das alles sagt: Biker parken in der Haltebucht, schauen zu, wie andere mit quietschenden Reifen durch die Kurve schießen. Manche jubeln, wenn einer die Schräglage bis ans Limit treibt.
Doch der Applaus hat seinen Preis. Die Unfallzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Bereits 2019 wurde der Straßenabschnitt als „Unfallhäufungsstelle“ eingestuft. 2022 verhängte der Kreis Tempo 40, nach einer Verkehrsschau mit Landratsamt, Regierungspräsidium Stuttgart und Polizeipräsidium Aalen. Appelle an Vernunft, neue Schilder, verstärkte Hinweise auf Gefahrenstellen – alles ohne spürbaren Erfolg. Im Gegenteil: „Im Jahr 2024 hat sich die Lage im Vergleich zu 2019 noch einmal deutlich verschlechtert“, teilt das Landratsamt mit. Unfallverursacher: fast ausschließlich Motorradfahrer.
Unfallfolgen müssen abgemindert werden
„Wir können wahrscheinlich kaum verhindern, dass in der Kurve weiter gerast wird“, sagt Hein, „aber wir müssen die Folgen von Unfällen abmindern – und das Publikum aussperren.“
Landrat Richard Sigel bedauert die Maßnahme. „Es tut mir leid, dass wir damit vielen einen der schönsten Blicke aufs Remstal verwehren“, sagt er. Man habe es lange mit milderen Mitteln versucht. Doch weder Hinweisschilder noch Tempolimit noch die Hoffnung auf Einsicht hätten geholfen. „Alle Maßnahmen, die an die Vernunft appellierten, haben nichts genützt.“
Haltebucht wird im Herbst geschlossen
Im Herbst werden die Bauarbeiter kommen. Erst wird das alte Holzgeländer am Abhang abgebaut, dann der Asphalt der Haltebucht entfernt. Die Kurve bekommt eine durchgehende Leitplanke mit Unterfahrschutz. Wer den Aussichtspunkt besuchen will, muss künftig zu Fuß gehen: Zwischen dem steinernen Torbogen und der Straße wird ein neues Holzgeländer errichtet, das jeden davon abhalten soll, sich wieder an den Fahrbahnrand zu stellen.
Eine oft gestellte Frage bleibt: Warum nicht einfach einen Blitzer aufstellen? Die Antwort ist schlicht. „Der kurvige Streckenverlauf macht Geschwindigkeitsüberwachung an der Stelle unmöglich“, erklärt Stefan Hein.
Für Wanderer bleibt das „Tor ins Remstal“ zugänglich
So verschwindet ein Stück Freiheit – und mit ihm ein Stück Aussicht. Für Wanderer bleibt das „Tor ins Remstal“ zugänglich, doch der spontane Halt, das kurze Innehalten auf dem Motorrad, das gemeinsame Staunen über das Tal: wird ab Herbst Geschichte sein.