Mit 28 unter den Top-Schiedsrichtern des Landes: Pascal Müller. Foto: factum/Granville

Unter der Woche bringt Pascal Müller aus Löchgau seinen Schülern Wirtschaft nahe. Sozusagen nebenbei ist er in der zweiten Bundesliga aktiv – und pfeift als Schiedsrichter in den größten Stadien des Landes.

Löchgau - Ohne einen Aushang am Vereinsheim in Löchgau wäre das Leben von Pascal Müller vermutlich ganz anders gelaufen. Vor 16 Jahren las er dort die Aufforderung, sich als Schiedsrichter zu bewerben. Zu der Zeit kickte Müller nicht nur beim örtlichen FV, sondern bereits in der Bezirksauswahl. Trotzdem entschloss er sich, das Spielertrikot gegen das schwarze Dress der Unparteiischen einzutauschen. „Die richtige Entscheidung“, sagt Müller im Rückblick. „Als Fußballer hätte ich es nicht so weit geschafft“. Und „so weit“ heißt: in den Profibereich.

Der Löchgauer gehört seit dieser Saison zu den 26 bestenvon rund 70 000 Schiedsrichtern in Deutschland. Vor zwei Wochen pfiff er in Darmstadt sein erstes Spiel in der zweiten Liga. In der Bundesliga wird er als sogenannter Vierter Offizieller eingesetzt, zuletzt war er bei der Niederlage des FC Bayern im Olympiastadion gegen Hertha BSC Berlin an der Seitenlinie gefragt.

Früher mussten ihn die Assistenten an der Linie zu den Spielen fahren

Mit seinen 28 Jahren gehört Müller zu den jüngsten Top-Schiedsrichtern, nur wenige Kollegen haben es ähnlich schnell nach oben geschafft. Mit 16 leitete er bereits Partien in der Landesliga, der siebt-höchsten Spielklasse im Herrenfußball. Für jedes Spiel bekam Müller von einem Beobachter eine Note, am Jahresende entschied dann eine Tabelle, in der alle Zensuren der Schiedsrichter aufgeführt waren, über den Aufstieg in die nächste Spielklasse – allerdings nur, wenn auch ein Platz frei wurde, sei es, weil ein Kollege aus Altersgründen ausscheiden musste oder weil die Leistungen nicht mehr gestimmt hatten. „Es hat viel mit Glück zu tun“, sagt Müller über seinen Aufstieg durch das Ligensystem. „Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.“

Manche Hürde in seinem Schiedsrichterleben konnte Löchgauer allerdings nicht ohne fremde Hilfe überwinden: mit 16 Jahren durfte er zwar schon in der Landesliga pfeifen – ohne Führerschein war es aber schier unmöglich, an den Sonntagvormittagen zu den Sportplätzen zwischen Heilbronn und Geislingen zu kommen. Also fuhren ihn seine Eltern zu den Spielen – oder seine Assistenten nahmen ihn mit.

Heute organisiert das DFB-eigene Reisebüro die Flüge und Bahntickets. Trotzdem lässt sich die Schiedsrichterei auf diesem Niveau nicht nebenher bestreiten, weshalb Müller derzeit nur drei Tage in der Woche seinem Hauptberuf nachgeht. An der Andreas-Schneider-Schule in Heilbronn unterrichtet er Wirtschaft, vor seinem Referendariat arbeitete er in einer Bank. Die Stunden, die er wegen seiner Reisen zu den Spielen nicht wie geplant halten kann, holt er mit seinen Schülern nach, keine soll ausfallen – das ist ihm wichtig.

Der DFB überweist ein Grundgehalt von 40 000 Euro im Jahr

Vor fünf Monaten ist er zum ersten Mal Vater geworden. Seine Frau habe Verständnis für seine Leidenschaft, sagt der 28-Jährige. Doch er muss auch zugeben: „Das Reisen ist wirklich heftig.“

Es gibt Kollegen, vor allem in der ersten Liga, die ihr Geld fast ausschließlich mit der Schiedsrichterei verdienen. Mindestens 60 000 Euro überweist der DFB seinen Bundesliga-Schiris an Grundgehalt, dazu kommen Prämien für jedes geleitete Spiel. In der 2. Liga sind es 40 000 Euro im Jahr – doch seine Arbeit als Lehrer will Pascal Müller auf keinen Fall aufgeben.

Auf dem Feld will Pascal Müller „pfeifen ohne Theater“. Ihm sei ein freundlicher Ton wichtig, „aber ich lasse mir nicht auf der Nase rumtanzen“. Seine Statistik belegt das: fünf Gelbe Karten zeigte er durchschnittlich während seiner bisher 22 Spiele in der zweiten und dritten Liga. Bei seinem Debüt Ende September zeigte er gleich zweimal Rot. Dass der Druck auf ihn und seine Kollegen groß ist, stört Müller nicht – im Gegenteil. „Je mehr Zuschauer, desto besser.“