Vladimir Novikov zeichnet mit seinen Schülern häufig Männchen – oder alles andere, worauf die Kinder Lust haben. Foto: factum/Bach

Micky Mäuse, Drachen und Mangas: Vladimir Novikov bringt Kindern in seiner „Toon School“ in Korntal-Münchingen bei, wie man Cartoons zeichnet. Für den 46-Jährigen geht es auch darum, seinen Schülern zu mehr Ausdrucksmöglichkeiten zu verhelfen.

Korntal-Münchingen - Am Anfang ist die Kartoffel. Vladimir Novikov zeichnet ein rundes Etwas, das ansonsten auch als Bohne durchgehen könnte, an die Tafel in dem Raum im Obergeschoss der Korntaler Realschule. Es ist Dienstagnachmittag, und eine Handvoll Mädchen und Jungen sitzt mit Stiften in der Hand und einem weißen Zettel vor sich an den Pulten. Dienstagnachmittag, das bedeutet Cartoon-AG.

Auf allen Blättern entstehen Kartoffeln. Novikov, der Lehrer, zeichnet mit blauer Kreide ein deprimiertes Männchen. Das lässt den Kopf hängen, als nächstes bekommt es Beine. Am Ende, nachdem es mit Extremitäten ausgestattet ist, kommt noch ein Gesicht hinzu. Der Mund, Augenbrauen und „ganz traurige Augen“. Und ein paar Haare – „sogar die Frisur hängt ganz traurig“. Zum Schluss zeichnet Novikov eine Denkblase und hinein ein Zeugnis mit einer dicken Sechs. „Dann wird der aber nicht versetzt“, sagt einer der Schüler.

Bei der Cartoon-AG geht es nicht um strikte Bewertungen. Vladimir Novikov will den Kindern ein Gefühl fürs Zeichnen vermitteln. Für seine Schüler erstellt er vor jeder Stunde neue Vorlagen, die sie dann abzeichnen. „Damit verbringe ich jede freie Minute“, sagt der 46-Jährige. Vor einem Jahr hat Novikov die „Toon School“ in Korntal gegründet, neben seiner Arbeit als Art Director in einer Werbeagentur in Stuttgart.

Angefangen hatte alles an Sonntagnachmittagen in seinem Wohnzimmer. Seit dem Herbst unterrichtet er in der Stadthalle, und nun einmal pro Woche in der Realschule. Dafür stellt ihn sein Arbeitgeber frei. „Die finden, dass es eine gute Sache ist, zur Nachwuchsförderung.“ Neben dem Dienstag- ist auch der Sonntagnachmittag für Novikov „Toon School“-Zeit. Das heimische Wohnzimmer muss er dafür aber nicht mehr blockieren. Novikov würde gern an mehr Schulen unterrichten, findet das aber schwierig. An der Realschule, erzählt er, kannte er eine Lehrerin.

Späte Berufung

Reich wird Novikov mit der „Toon School“ nicht, aber ein Jahr nach der Gründung ist er zufrieden: „Die Probezeit ist bestanden.“ Ein gutes Dutzend Schüler hat Novikov im Moment. Seine Kurse haben Titel wie „Micky-Mäuse & Co.“, „Mangamania“ und „Drachenzeichnen leicht gemacht“. Offen für die Ideen seiner Schüler ist der 46-Jährige trotzdem jederzeit. Neulich, im Drachenzeichnen-Kurs, kam heraus, dass zwei Jungs eigentlich gar keine Drachen mochten. Novikov hat sie gefragt, was sie stattdessen zeichnen wollen – „und dann haben wir Superhelden aus Marvel-Comics gemalt“.

Novikov versucht, seine Schüler nicht allzu stark zu korrigieren. „Die meisten sehen selbst, was nicht stimmt.“ Dass er das Zeichnen zum Beruf gemacht hat, hat sich nur auf Umwegen ergeben. In Russland, wo er bis 1994 gelebt hat, hatte er zunächst ein Physik-Studium begonnen. Eine Kunstakademie lehnte ihn ab, später betrieb er eine Tischlerwerkstatt. Erst in Deutschland machte er dann eine Ausbildung zum Mediendesigner. Heute sieht er das Zeichnen als „Berufung“. Und die „Toon School“ als Chance, „etwas zurückzugeben“.

Novikov findet es schade, dass das Zeichnen kein größeres Thema in der Schule ist. „Als Kind lernt man, zu kritzeln. In der Schule wird das dann radikal umgeswitcht“. Dass Kinder zeichnen lernen, hält er für immens wichtig – auch als Ausdrucksmittel. „Worte sind nur heiße Luft. Wenn ich zeichne, kann ich die Bilder in meinem Kopf jemandem zeigen.“