Darf zurück nach Deutschland: Mesale Tolu. Die Inhaftierung der Deutschen in der Türkei wegen angeblicher Terrorismus-Unterstützung ist eines der Themen, die das deutsch-türkische Verhältnis schwer belasten. Foto: AP

Ein Lichtblick: Die deutsche Journalistin Mesale Tolu darf ausreisen. Dennoch bleiben die Beziehungen zur Türkei schwierig. Worauf es jetzt ankommt, beschreibt StN-Chefredakteur Christoph Reisinger in diesem Kommentar.

Stuttgart. - Politiker sind nicht zu beneiden, die entscheiden müssen: Wie viel Nähe soll sein im Verhältnis zur Türkei? Und wie viel Distanz braucht es zum selbstherrlichen und zuweilen so unflätigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan? Die Nun-plötzlich-doch-Aufhebung der Ausreisesperre für die deutsche Journalistin Mesale Tolu in der Türkei, gereizte Reaktionen auf die Tatsachen-Beschreibung der SPD-Chefin Andrea Nahles, dass Deutschland einem wirtschaftlichen Absturz der Türkei nicht tatenlos zusehen kann – all dies markiert, wie tief das Geläuf in den deutsch-türkischen Beziehungen geworden ist.

Auf die Richtung kommt es an

Umso mehr kommt es auf eine glasklare Vorstellung an von der Richtung, in die Deutschland will. Und da kann es nur eine geben: Die Türkei bleibt eine der wichtigsten Partnerinnen wegen der vielen gesellschaftlichen Verbindungen und der gemeinsamen Sicherheitsinteressen.

Das heißt keineswegs, sich jede Provokation gefallen zu lassen oder Erdogan und seiner Partei in Deutschland willfährig eine Propagandabasis zu planieren. Oder über den Skandal wegzuschweigen, dass die türkische Führung in Deutschland ihr nahe Netzwerke betreibt unter Einschluss organisierter Krimineller.

In guten wie in schlechten Zeiten

Aber weil es sich in engen Zweckbündnissen ein bisschen so verhält wie in Familien – man muss die Angehörigen in guten wie in schlechten Zeiten nehmen, wie sie sind – geht es darum: den Gesprächsfaden nie reißen lassen, in schwierigen Phasen besonders intensiv da zusammenarbeiten, wo es noch Gemeinsamkeiten gibt, nicht Hinnehmbarem wie der willkürlichen Inhaftierung Deutscher entschieden entgegentreten. Und niemals einen Zweifel daran aufkommen lassen: Letztlich steht zusammen, was zusammengehört, egal wer gerade regiert.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de