Wie bildet man ohne Absprache ein Dreieck aus Körpern – das war eine Aufgabe im Toleranz-Workshop. Foto: Gottfried Stoppel

An der Johannes-Landenberger-Schule des Berufsbildungswerks Waiblingen erfahren Jugendliche bei einer „Toleranzwoche“ in Workshops Wissenswertes über Vorurteile sowie die Wirkung ihrer Wortwahl und Körperhaltung auf andere Menschen.

Waiblingen - Das persönliche Schimpfwort-Alphabet mit Beleidigungen von A wie Arsch bis Z wie Zicke füllen die Jugendlichen in den Workshops von Luigi Scarano meist Ruckzuck komplett aus. Größere Schwierigkeiten hätten die Schüler dann mit der nächsten Aufgabe – eine Liste mit bestärkenden, positiven Worten von A bis Z aufzuschreiben, erzählt Luigi Scarano und lacht. Der Praxistest zeigt: Das ist auch bei den Schülerinnen und Schülern der zehn berufsvorbereitenden Klassen der Johannes-Landenberger-Schule im Berufsbildungswerk Waiblingen (BBW) so.

Dort ist der Trainer für Persönlichkeitsentwicklung in dieser Woche mit seiner Kollegin Rita Carola Rose zu Gast und veranstaltet eine „Toleranzwoche“ mit Workshops zum Thema Toleranz und Intoleranz. Ermöglicht hat das die Christoph-Sonntag-Stiphtung, deren ungewöhnliche Schreibweise der Tatsache geschuldet ist, dass sie kein eigenes Stiftungskapital hat, aus dem sie Projekte finanzieren könnte. Stattdessen entwickelt sie Ideen und sucht Sponsoren dafür. In diesem Jahr seien Gelder für acht Toleranzwochen an 20 Schulen vorhanden, sagt Christoph Sonntag, der überzeugt ist, dass Menschen Toleranz lernen können und müssen, „weil von einer toleranten Gesellschaft alle profitieren“.

Die Wortwahl zählt

Im Zuge des Programms setzen sich die Jugendlichen in Workshops unter Anleitung der Trainer mit ihren Vorurteilen, mit Schubladendenken, mit der eigenen Körpersprache und Wortwahl auseinander. Worte können andere verletzen oder sie unterstützen – das ist eine Erkenntnis der Jugendlichen an diesem Vormittag. Rita Carola Rose und Luigi Scarano wollen das Bewusstsein schärfen, sie erklären, wieso sie mit dem Begriff „Esel“ kein Problem haben, mit den Worten „Nigger“ oder „Schwulette“ aber schon.

„Hier wird eine Gruppe von Menschen diskriminiert wegen eines Merkmals, für das sie nichts kann“, begründet Scarano und zeigt auf die beiden Listen an der Tafel: „Es ist eure Entscheidung, für welche der Spalten ihr euch entscheidet.“

Weiter geht’s auf der Suche nach eigenen Vorurteilen. Anhand von Fotos und kurzen Texten müssen die Jugendlichen entscheiden, welcher Bewerber in ihr freies WG-Zimmer einziehen soll. „Larissa hat die besten Chancen“, sagt Luigi Scarano aus Erfahrung: Mit der angehenden Studentin, braunes Haar, heller Teint, rosa Lipgloss, identifizierten sich die meisten. So würden ihr automatisch positive Eigenschaften zugeschrieben – und weniger nette Seiten ausgeblendet, etwa die im Text erwähnte, dass Larissa „auf getrennte Kassen bei Lebensmitteln“ pocht. „Klingt das nach einer entspannten Mitbewohnerin?“, hakt Rita Carola Rose bei den Jugendlichen nach. Nicht wirklich. Am Schluss entscheidet sich die Gruppe dann doch für den Programmierer Marco, der schwul ist.

Toleranz braucht eine eigene Meinung

„Toleranz kann erst entstehen, wenn die eigene Meinung gefestigt ist, wenn man mit dem eigenen Köper umgehen kann und mit ihm zufrieden ist“, sagt Rose. Deshalb steht nachmittags Bewegung auf dem Programm. Die Jugendlichen müssen sich zum Beispiel möglichst schnell und ohne dabei zu sprechen zu einem Dreieck formieren oder wild durcheinander laufen – wohlgemerkt, ohne dabei andere anzurempeln. „Seid achtsam und schaut, wo Luftlöcher sind“, sagt Rita Carola Rose. Jeder darf mal vorgeben, wie schnell die anderen gehen sollen oder wann sie schlagartig stehen bleiben müssen. Das klappt prima und ohne wildes Durcheinanderbrüllen. „Gut gemacht“, lobt Rose die Schüler am Schluss und fragt, wie sich die Übung angefühlt hat. „Das war cool“, sagt ein Jugendlicher: „Man konnte sich mal fühlen wie ein Chef.“