Für Fußballer, Tennisspieler, Golfprofis und US-Basketballer hält sich der Reiz an den Olympischen Spielen in Grenzen. Deshalb reisen einige von ihnen gar nicht nach Tokio.
Stuttgart - Für den Musberger Ringer Frank Stäbler gibt es nichts Größeres als Olympische Spiele. „Ich träume von einer Medaille“, sagt er immer wieder. Der Koblenzer Florettfechter Peter Joppich reist bereits zum fünften Mal zu Sommerspielen, weil ihn die Veranstaltung so begeistert. Unvergessen ist außerdem der Auftritt von Tina Dietze und Franziska Weber 2016 bei den Spielen in Rio, wo sie im Zweier-Kajak über 500 Meter die Silbermedaille holten. Sie küssten ihre Medaillen und freuten sich über das rege mediale Interesse an ihnen mit den Worten: „Wow, ist das jetzt ein Interview? Wie toll ist das denn . . .“ Zuletzt nach dem verlorenen EM-Finale der Fußballer haben sich dagegen die Engländer ihre Silbermedaillen ruppig vom Hals gerissen – der Frust nach der Niederlage gegen Italien saß tief.
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Es gibt eben Silber – und es gibt Silber. Die Wertigkeit einer solchen Medaille ist bei Olympia ungleich höher als bei der kickenden Elite. Bei dem Ringer, dem Fechter und den Kanutinnen stellen Olympische Spiele den Höhepunkt der Karriere dar – für den vier Jahre lang im Training geschuftet wird. Was Olympia für den Fußball darstellt, liegt auch auf der Hand: Es werden überwiegend junge Spieler zu den Spielen geschickt. Und selbst diese Sportler, die zu einem überwiegenden Anteil mit Millionen-Verträgen ausgestattet sind, haben entweder keine Lust auf Olympia oder erhalten von ihren Vereinen erst gar nicht die Freigabe.
Weil das so ist, geht Stefan Kuntz die Hutschnur hoch. Den Trainer der deutschen Olympiaauswahl ärgern diese Zustände gewaltig. Er muss jetzt die Tokio-Reise mit weniger Fußballern antreten als geplant, weil eine Absage der nächsten folgte. „Wir mussten eine 100er-Liste erstellen – und nur von dieser dürfen wir nachnominieren“, sagte Kuntz und war sauer über das dürftige Interesse, Teil seines Teams zu sein. „Wir haben jeden Spieler auf dieser Liste abtelefoniert oder mit den Vereinen gesprochen, und diese 18 sind übrig geblieben“, sagt Kuntz, der nun mit 18 statt 22 Akteuren nach Tokio reist.
Kein optimales Signal
Er glaube, so der Coach, dass es keine andere Sportart gebe, die nicht alle Kaderplätze besetze. Das sei kein optimales Signal vom Fußball. „Wir haben sehr viele Vereine, die uns super unterstützt haben“, sagt Kuntz, einige hätten aber auch „mit der Unterstützung hinter dem Berg gehalten“. Als erfahrener Mann ist immerhin Max Kruse dabei. „Ich verstehe gar nicht, wie man keinen Bock auf Olympia haben kann“, sagt er.
Nicht nur im Fußball spielt Olympia eine Nebenrolle – auch in anderen Sportarten ist das so. Vor allem in Disziplinen wie Tennis und Golf, in denen viel Geld verdient wird. Im Tennis etwa haben Stars wie Serena Williams, Rafael Nadal und Roger Federer ihre Teilnahme abgesagt. Federer begründete zuletzt seine Entscheidung mit wiederkehrenden Knieproblemen. „Ich bin sehr enttäuscht, denn es war jedes Mal eine Ehre und ein Höhepunkt meiner Karriere, wenn ich die Schweiz vertreten habe“, teilte er über soziale Netzwerke mit. Er habe bereits mit der Rehabilitation begonnen, „in der Hoffnung, später im Sommer wieder dabei zu sein“. Der serbische Weltranglisten-Erste Novak Djokovic hat derweil noch offengelassen, ob er bei Olympia antreten wird. Wenn er mitmachen würde, hätte es jedoch einen triftigen Grund – der mit Geld nichts zu tun hat. Wer alle vier Grand-Slam-Turniere und den olympischen Wettbewerb gewinnt, darf den sogenannten Golden Slam sein Eigen nennen. Djokovic kann also noch erreichen, was bisher nur Steffi Graf 1988 glückte.
Golfer sagen ab
Auch einige Golfstars machen einen Bogen um Olympia. In Rio war das Turnier noch sehr gut besetzt, auch weil die Disziplin vor fünf Jahren zum ersten Mal olympisch war. Im Hinblick auf eine zweite Teilnahme scheint der Zauber jedoch verflogen. Zuerst hatten Topstars wie Dustin Johnson, Adam Scott und Lee Westwood die Reise nach Tokio aus ihren Plänen verbannt, später folgten Louis Oosthuizen, Tyrrell Hatton, Matthew Fitzpatrick und Sergio García. Auch der Deutsche Martin Kaymer ist nicht dabei. „Es fühlt sich im Moment einfach nicht richtig an“, meinte er mit Blick auf die Coronapandemie.
Auch im Basketball ist ein olympisches Interesse bei den Topstars aus den USA manchmal nur rudimentär vorhanden. 2004 in Athen holte eine bessere Nachwuchstruppe mit dem damals noch sehr jungen LeBron James „nur“ Bronze. 17 Jahre später scheint James die Reise nach Tokio ganz und gar nicht in die Pläne zu passen, auch der andere US-Gigant Stephen Curry ist nicht dabei. Sie wollen sich schonen für den aus ihrer Sicht wichtigsten Basketballwettbewerb dieses Planeten – die NBA. Dort spielt auch Dennis Schröder, der dem deutschen Nationalteam schon in der Qualifikation fehlte und es auch bei den Spielen nicht unterstützen wird. Ihn für dieses „Zusatzprogramm“ zu versichern wäre zu teuer gewesen.
Wenn das einer mal Frank Stäbler und Peter Joppich erzählt, dann verstehen die beiden die Welt nicht mehr.