Trockentoiletten wie diese von Trobolo können menschlichen Kot als Dünger nutzbar machen. Foto: www.trobolo.com

Menschliche Ausscheidungen sind eigentlich ein wertvoller Dünger, in Deutschland dürfen sie aber nicht eingesetzt werden. Darum landen wertvolle Nährstoffe ungenutzt in Kläranlagen. Trockentoiletten können helfen, diese Verschwendung zu beenden.

Stuttgart - Florian Augustin hält eine Handvoll menschlichen Kot in seinen Händen. Oder zumindest das, was davon nach dem Erhitzen, Kompostieren und Vermischen mit Grünschnitt übrig ist: geruchsloser, krümeliger Humusdünger, der voller wertvoller Nährstoffe steckt.

 

Haufenweise türmt sich der Kot im brandenburgischen Eberswalde, auf dem Gelände der einzigen Verwertungsanlage für menschliche Exkremente in Deutschland. Florian Augustin betreibt die Anlage mit seiner Firma Finizio seit 2019 – und ist damit seinem Traum ein Stück näher gekommen: Deutschlands Toiletten so umzubauen, dass Kot und Urin nicht mehr mit viel Wasser in die Kläranlagen gespült werden, sondern gesammelt, gereinigt und kompostiert als Dünger auf den Feldern landen.

Ein „tolles Produkt“ aus dem Klo

„Ein solcher geschlossener Kreislauf würde jede Menge Energie einsparen, die man normalerweise für die Herstellung von chemisch-synthetischen Düngemitteln braucht“, sagt Florian Augustin. Was der Mensch so auf dem Klo produziere, sei ein tolles Produkt, welches man der Natur eigentlich nicht entziehen dürfe.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Neue „Toilette für alle“ in Stuttgart

Um diesem Ziel näher zu kommen, hat „Klo-Flo“, wie er seit seiner Bachelorarbeit im Forstwirtschaftsstudium zum Thema „Veredelung menschlicher Exkremente“ genannt wird, im Jahr 2016 auch schon beim Start-up ÖKlo mitgearbeitet, einem Anbieter für Komposttoiletten. Denn irgendwie muss das Material für die Verwertungsanlage ja gesammelt werden.

Inzwischen gibt es in Deutschland mit Firmen wie Eco-Toiletten, Goldeimer, Trobolo und seit Kurzem auch S’Klo aus Titisee-Neustadt eine Reihe Anbieter, die solche Ökoklos bauen und vertreiben. Eingesetzt werden sie als Ersatz fürs chemische Dixie-Klo auf Festivals und anderen Großveranstaltungen, bei öffentlichen WC-Anlagen, in Schrebergärten oder Häusern, die nicht an die Kanalisation angeschlossen sind – das sind immerhin 15 Prozent aller Haushalte. Aber auch für Modellprojekte in Mehrfamilienhäusern mitten in der Stadt werden Trockentoiletten getestet.

Urin ist fast so effektiv wie Kunstdünger

Das wasserlose Klokonzept ist simpel: Urin und Kot werden getrennt voneinander in Behältern gesammelt, damit beides besser gereinigt und weiterverwertet werden kann. Einstreu auf dem großen Geschäft neutralisiert Geruch wie unerwünschte Anblicke. Urin stinkt nur, wenn er mit Kot oder Wasser in Berührung kommt.

Lesen Sie aus unserem Angebot: So viel kostet die Toilettenspülung

Getrennt gesammelt ist Urin vor allem eine wertvolle Nährstoffquelle, weil er Stickstoff, Phosphor und Kalium enthält – alles, was ein Dünger für Gemüse braucht. Laut Forschern der Uni Kuopio in Finnland ist Urin fast gleich effektiv wie Kunstdünger.

„Hinzu kommt, dass die natürlichen Phosphatquellen langsam zu Ende gehen und die synthetische Herstellung sehr teuer wird“, sagt Ariane Krause vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau im brandenburgischen Großbeeren. Sie sieht das durchaus drastisch: „Wenn wir unsere Erde in 50 Jahren noch bewohnen wollen, dann müssen wir auch im Sanitärbereich dringend etwas ändern.“ Dass wertvolle Nährstoffe einfach ungenutzt in die Kläranlagen fließen, sei nicht länger tragbar.

Trockentoiletten sparen Abwassergebühren

Tatsächlich wird deshalb schon seit mehr als 20 Jahren versucht, Phosphat und auch Nitrat aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen. Ab dem Jahr 2029 sind Kläranlagen in Deutschland dazu sogar verpflichtet. Nur sind die dazu notwendigen technischen Verfahren mit Trocknen, Trennen und Verbrennen sehr aufwendig, energieintensiv und teuer. Hochrechnungen würden zeigen, dass die Abwassergebühren deshalb bis 2026 verdoppelt würden, sagt Krause. Bei Trockentoiletten dagegen entfällt das. Ein weiterer Vorteil: Täglich würden bis zu 40 Liter Trinkwasser pro Person für die Spülung gespart.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Eine öffentliche Toilette mit freiem Blick

In der Theorie spricht also sehr viel für eine Sanitärwende in Deutschland. Nur bei der Verwertung der Toiletteninhalte hapert es noch. Zwar kann das Team um Florian Augustin auf seiner Verwertungsanlage prima Humus herstellen –weil es sich um ein wissenschaftlich begleitetes Projekt handelt. Normale Kompostierwerke aber dürfen keinen menschlichen Kot verwerten. „Dieser ist nämlich im deutschen Gesetz bisher nicht als Abfall vorgesehen“, sagt Ariane Krause.

Und dann gibt es noch eine weitere Hürde: Auch in der Düngemittel-Verordnung tauchen menschliche Ausscheidungen nicht auf. Was zur Folge hat, dass Dünger aus menschlichem Urin oder Humuskot bislang in Deutschland nicht auf Feldern ausgebracht werden darf.

Alles darf auf den Feldern landen – außer menschlicher Kot

Das hat auch gute Gründe: In Urin finden sich jede Menge Rückstände von Medikamenten. Kot wiederum ist mit Bakterien und Viren belastet. Bevor die Ausscheidungen auf den Feldern landen, müssen sie also entsprechend gereinigt werden, so das Bundesministerium für Umwelt. „Es gibt dafür inzwischen sehr sichere Verfahren mit Aktivkohle-Filtration und Hitzebehandlung“, sagt Forscherin Ariane Krause.

Sie arbeitet zusammen mit anderen Experten in einem Projekt, das in den nächsten drei Jahren die Nachweise dafür erbringen soll, dass ein Einsatz in der Umwelt unbedenklich ist. Dass das gelingen kann, zeigt die Schweiz: Hier ist seit 2018 ein Dünger aus menschlichem Urin im Handel, der bei essbaren Pflanzen angewendet werden darf.

Unterbrochener Kreislauf

Nährstoffe
 Damit Pflanzen wachsen können, entziehen sie dem Boden Nährstoffe. Über Lebensmittel nimmt der Mensch diese Nährstoffe auf – und scheidet einen Großteil davon über Blase und Darm wieder aus.

Klärwerksproblem
Früher sind menschlicher Urin und Kot über Mistgruben und Jauchewägen zurück auf den Feldern und damit bei den Pflanzen gelandet. Wasserspülungen und Klärwerke haben dieses Kreislaufsystem unterbrochen. Die Nährstoffe werden seitdem in Müllverbrennungsanlagen verbrannt – und die Pflanzen chemisch-synthetisch gedüngt.