So freudig wie hier werden Weihnachtsmarkt-Gäste mit einem dringenden Bedürfnis nicht überall begrüßt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

WC - wegen Einkaufstrubel und Weihnachtsmarkt sind diese beiden Buchstaben derzeit so gefragt wie selten. Nicht jeden freut’s. Wir haben uns in der Innenstadt umgehört.

Stuttgart - Zielstrebig führt die Reiseleiterin ihre deutsche Gruppe vom Busstopp am Karlsplatz in Richtung Weihnachtsmarkt, bis ihr eine Frau leise etwas zuraunt. Es folgt ein scharfer Schwenk nach links zur Markthalle und die Ansage: „Wer auf Toilette möchte – wir treffen uns hier wieder.“ Bei Einkaufsmarathon, Weihnachtsmarktbummel und Glühweingenuss kommen viele Menschen in der Adventszeit nicht ohne Klo über den Tag. Öffentliche WCs wie in der Markthalle helfen. Doch oft steuern Besucher und Einkäufer lieber die stillen Örtchen der umliegenden Geschäfte an. Die Begeisterung dort ist nicht immer groß, Reaktionen fallen entsprechend unterschiedlich aus.

Ein Konzept ist, dass man es ums Örtchen noch etwas stiller als still werden lässt – vor allem, wenn die Benutzung kostenlos ist. Manchmal kennen nur eingeweihte Kunden die Anlaufstelle, die sich gern in einem höheren Stockwerk befindet. Ohne große Hinweistafeln, versteht sich. Das Klo als dezent gehütetes Geheimnis.

Geschäft beklagt „sintflutartigen“ Andrang

„Bitte nennen Sie unseren Namen nicht, sonst wissen ja noch mehr Menschen, dass wir eine Toilette haben“, heißt es dann auch prompt in einem Geschäft unweit des Schlossplatzes. Über Weihnachten breche es schon so „sintflutartig“ über sie herein, berichtet die Assistentin der Geschäftsführung. Viele würden die Toilette benutzen, ohne zu fragen, und sie dann häufig noch verdreckt hinterlassen. Sie wollten ihren Kunden auch weiterhin einen guten Service bieten, aber keine billige Alternative für Weihnachtsmarktbesucher sein, die sich die paar Cent für die öffentliche Toilette am Schlossplatz sparen wollten. Wer einmal gute Erfahrungen mache, komme meist wieder: „Der Hintern hat ein enorm gutes Gedächtnis.“

In einem Restaurant nahe des Marktplatzes macht sogar ein Hinweisschild deutlich, dass es keine öffentliche Toilette für Ausweichpinkler gibt. Auch hier möchte die Verantwortliche den Namen auf keinen Fall in der Zeitung lesen. „Bei uns sieht es oft aus wie Sau“, sagt sie. Es sei ein generelles Problem, weil das Lokal nahe des Weihnachtsmarkts liegt.

Landesmuseum hat Außentoilette nach Übergriffen geschlossen

Das Landesmuseum hat seine von außen zugängliche Toilette vor zwei Jahren dichtgemacht. Grund seien „Übergriffe von Alkoholisierten auf unsere Leute“ gewesen, berichtet Museumssprecherin Heike Scholz. Die Sicherheit der Mitarbeiter gehe vor. Jetzt gibt es nur noch die Toiletten in der Einrichtung. Für Museumsbesucher sind sie kostenlos, andere Nutzer müssen zur Weihnachtsmarktzeit 50 Cent zahlen. Die Kosten für Wasser, Toilettenpapier und Ähnliches würden sich in dieser Zeit verdoppeln, macht Scholz deutlich.

Wenn es einen WC-Tourismus gebe, könne das kaum an einer Toilettenknappheit liegen, heißt es beim Weihnachtsmarktveranstalter. „Wir haben fünf bis sechs Container aufgestellt“, so in.Stuttgart-Sprecher Christian Eisenhardt. Zudem gebe es ja noch öffentliche Toiletten, die für maximal 50 Cent genutzt werden können. Eine Liste der Abfallwirtschaft Stuttgart weist für die City fünf konventionelle Anlagen aus, meist in der Nähe von Stadtbahnhaltestellen. Zudem werden zehn Säulen-Automatikanlagen aufgeführt, plus zwei Automatikanlagen für Behinderte.

Viele Geschäfte stellen keine Probleme fest

Natürlich sind nicht alle in unmittelbarer Nähe des Weihnachtsmarktes, und die Entfernung spielt offensichtlich eine Rolle. „Wir sind von dem Thema viel zu weit weg“, sagt etwa Thomas Benedetti, Geschäftsführer der Galeria Kaufhof in der Königstraße. Ihre Toiletten, für die ein Obolus von der Reinigungskraft erbeten wird, seien offen für jedermann, egal ob Kunden oder Weihnachtsmarktbesucher. Klagen über vermehrte Unhöflichkeit in der Vorweihnachtszeit seien ihm bisher nicht zu Ohren gekommen.

Ähnlich serviceorientiert sieht man es beim Gerber und im Rathaus – wo die Benutzung der Toiletten jeweils kostenlos ist. Problemlos laufe auch der Betrieb an der Sanifair-Anlage im Königsbau, sagt ein Verantwortlicher. Wer sich hier erleichtern möchte, muss dafür allerdings tiefer in die Tasche greifen: 70 Cent werden fällig, von denen 50 erstattet werden können, etwa bei einem Restaurantbesuch in der Foodlounge.

Wildpinkeln kann teuer werden

Dass der Preis eine gute Stellschraube sein kann, hat das Kunstmuseum gemerkt. Seit mehr als zwei Jahren zahlen Besucher „von außerhalb“ einen Euro für die Toilettenbenutzung, Museums- und Restaurantbesucher hingegen dürfen sich auch weiterhin kostenlos erleichtern. Von dem eingenommenen Geld werde zur Weihnachtsmarktzeit von 12 bis 21 Uhr eine Zusatzkraft beschäftigt – für die Sauberkeit und um Vandalismus vorzubeugen, erklärt Verwaltungsleiterin Petra Kicherer. „Das hat sich gut eingespielt.“ Anfangs hätten die Mitarbeiter allerdings mit einigen verbalen Anfeindungen zu kämpfen gehabt.

Schlecht beraten ist auf jeden Fall, wer sich in die Büsche schlägt, um Geld zu sparen. Denn wer von den zurzeit verstärkt präsenten Polizisten beim Wasserlassen ertappt wird, zahlt laut Bußgeldkatalog 35 bis 5000 Euro. Nicht einmal eine schwache Blase und Medikamente ließ ein Gericht einem älteren Herren vor zwei Jahren als Ausrede durchgehen. Es gebe genügend benutzbare Toiletten in der Innenstadt, machte die Richterin stattdessen deutlich. Dafür müsse man nicht den Schlossgarten gebrauchen. Und für 35 Euro pinkelt es sich in der Innenstadt rund 70 Mal ganz entspannt und ganz legal.