An Bezahl-Toiletten in Raststätten oder Bahnhöfen wird immer wieder getrickst – doch ist das ein Fall für die Polizei? Foto: dpa

Wer bei Bus und Bahn kein Ticket löst, ist ein Schwarzfahrer. Und wer sich an den Bezahl-Toiletten in Raststätten und Bahnhöfen am Drehkreuz vorbeimogelt, macht sich ebenfalls strafbar. Und doch gibt es einen Unterschied.

Stuttgart - Was zu viel ist, ist zu viel. Als schon wieder ein Reisender an der Raststätte Denkendorf an der A 8 um 7 Uhr über den Bezahleingang der Toilettenanlage klettert, hat der Betreiber genug. Er zeigt den 41-jährigen Mann aus Südosteuropa an. Schließlich macht man das doch auch so bei Schwarzfahrern in der Straßenbahn, die kein Ticket gelöst haben. Eine Polizeistreife rückt an und nimmt den Fall auf. Die Anzeige lautet auf Erschleichen von Leistungen, ein strafbares Betrugsdelikt.

Und plötzlich gibt es in der jüngsten Kriminalstatistik allein für Denkendorf (Kreis Esslingen) fünf Betrugsdelikte, bei denen sich Beschuldigte die 70 Cent Gebühr für die WC-Anlage an der Autobahnraststätte sparen wollten. Fünf Fälle – das ist wenig, angesichts der Verhältnisse an den Raststätten. „Das kommt aber insgesamt sehr häufig vor. Das kann man eigentlich ständig auf den Videos sehen“, sagt Polizeisprecher Peter Widenhorn, zuständig für die Autobahnpolizei mit Sitz in Stuttgart-Vaihingen. Fünf Fälle – das ist andererseits aber auch viel: „Normalerweise wird so etwas gar nicht angezeigt“, sagt Widenhorn. Vor allem, weil es meistens um 70 Cent geht.

Angriff einer Reisegruppe

Ob es ein Exempel ist, das an dem 41-Jährigen statuiert werden soll? Die Erfahrung der Autobahnpolizei der Verkehrspolizeidirektion Ludwigsburg zeigt, dass das Schwarzpinkeln eines von vielen Problemen mit der Notdurft ist. Vor allem Reisende aus Osteuropa, die über Nacht bleiben, finden auch im weitläufigen Gelände zahlreiche Alternativen zu den Bezahl-WCs.

So war auch in Gruibingen (Kreis Göppingen) eine Vielzahl von Streifenwagen notwendig, um bei einem Zwischenfall im vergangenen Jahr einen Aufruhr an den Toiletten der Autobahnraststätte einzudämmen. Eine 18-köpfige Personengruppe aus Osteuropa war abends gegen 21.30 Uhr mit Kleinbussen auf die Rastanlage gefahren, dann stiegen Männer wie Frauen in der Gaststätte über das Drehkreuz zu den Toiletten. Als sie vom Personal zurechtgewiesen wurden, reagierten die Sünder entweder gar nicht – oder mit wüsten Beschimpfungen. Die Polizei sorgte für Ordnung.

Tritte gegen das Servicepersonal

Die Bezahl-Toiletten werden immer wieder zum Tatort – nicht nur an Autobahnen in der Region, sondern auch am Stuttgarter Hauptbahnhof. Die Bundespolizei muss immer wieder einschreiten, weil Bedienstete der Toilettenanlagen Sünder ertappen, die nicht einsichtig sind. Für einen 29-jährigen Mitarbeiter wurde das in einem Fall schmerzhaft: „Ein 41-Jähriger ist auf ihn losgegangen und hat ihn getreten“, sagt Bundespolizeisprecherin Meriam Kielneker.

Die Serie wurde im Januar vergangenen Jahres augenfällig, als ein 28-Jähriger und seine 22-jährige Begleiterin im Hauptbahnhof an einem Drehkreuz der WC-Anlage mogeln wollten. Das Paar zahlte für eine Person die Gebühr, dann aber wollten beide gemeinsam durchs Drehkreuz. Als ein 28-jähriger Mitarbeiter die beiden ermahnte, wurde er angegriffen und beleidigt. „Wenn eine Körperverletzung dabei ist, bekommt der Fall dann doch noch eine andere Qualität“, sagt Polizeisprecherin Kielneker.

Dabei trifft es nicht nur das Servicepersonal. Ein alkoholisierter 25-jähriger Bahnhofsbesucher empörte sich etwa in einem anderen Fall über einen 54-jährigen Reisenden, weil der nicht zahlte – und streckte ihn mit Faustschlägen nieder. „Dabei musste der Mann gar nicht bezahlen“, sagt Meriam Kielneker, „weil er mit einem Schwerbehindertenausweis freien Zugang hatte.“

„Höflich auf die Nutzungsregeln hinweisen“

Wie endete das Exempel von Denkendorf? Der Betreiber der Raststätte, der auch den Standort Sindelfinger Wald verantwortet, will zum Thema keine Auskunft geben. Andreas Rehm, Sprecher der Tank und Rast GmbH mit Sitz in Bonn, sagt, dass die Franchise-Partner für den Betrieb selbst verantwortlich seien. In der Regel „weist das Servicepersonal Gäste höflich auf die Nutzungsregeln einschließlich der kundenfreundlichen Entgelt- und Wertbon-Regelung hin“, so Rehm. Dies sei aber „in sehr seltenen Ausnahmefällen notwendig“.

Die Staatsanwaltschaft muss der 41-jährige Sünder nicht mehr fürchten. „Das ist zwar grundsätzlich strafbar“,sagt Sprecherin Claudia Krauth. Aber wegen Geringfügigkeit wurde das Verfahren eingestellt .