Im Februar wurde ein Mann in Wendlingen getötet. Ein 36-Jähriger muss sich für die Tat vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Nun hat der rechtsmedizinische Gutachter ausgesagt.
Der Angeklagte wirkte sichtlich mitgenommen. Immer wieder wischte er sich während des Prozesses vor dem Landgericht Stuttgart Tränen aus den Augen oder tupfte sie mit seinem Taschentuch weg. Auch als Aufnahmen seines mutmaßlichen Opfers am Tatort an einer Wendlinger Bahnunterführung und im Krankenhaus gezeigt wurden, begann er zu weinen. Der 36-Jährige soll den 66-Jährigen im Februar dieses Jahres niedergeschlagen und mit Tritten gegen den Kopf zu Tode gebracht haben. Die Anklage lautet auf Totschlag.
Die Fotos des rechtsmedizinischen Gutachters zeigen einen bewusstlosen Mann im Krankenbett, der an zahllose Schläuche angeschlossen ist und viele Bandagen aufweist. Schon als der Schwerverletzte am Sonntag, 9. Februar, aufgefunden wurde, so der Gutachter, habe er nur geringe Überlebenschancen gehabt. Mir einem Rettungshubschrauber sei er in eine Klinik gebracht worden. Acht Tage lang hätten die Ärzte um sein Leben gerungen, doch am Montag, 17. Februar, sei er verstorben.
Todesursache war laut Gutachter ein Schädel-Hirn-Trauma. Anlass dafür sei eine stumpfe, heftige Gewalteinwirkung gewesen. „Einfache Faustschläge“ allein könnten derartige Verletzungen nicht verursachen. Es müssten bis zu vier Tritte mit „einem beschuhten Fuß“ gegen den Kopf des 66-Jährigen erfolgt sein: „Er wurde totgeprügelt.“
„Ich bin kein Verbrecher“, hatte der Angeklagte behauptet
Der Mann, dem diese Tat zur Last gelegt wird, war kurz nach dem Vorfall am Wendlinger Rathaus von der Polizei verhaftet worden, nachdem er selbst einen Notruf abgesetzt hatte. Vor Ort, so sagte eine Polizeibeamtin im Zeugenstand aus, habe sich der aus dem Gazastreifen stammende Mann immer wieder über ein Übersetzungsprogramm mit den Beamten verständigen wollen. Sie habe nur wenig verstanden. Auch auf dem Polizeirevier, gab eine ihrer Kolleginnen als weitere Zeugin an, habe der 36-Jährige immer wieder Sätze auf Arabisch von sich gegeben, habe wenige Brocken auf Deutsch eingestreut und erneut versucht, das Übersetzungsprogramm einzusetzen. Da eine Verständigung aber nahezu unmöglich gewesen sei, habe er vier Mal auf einen Zettel Sätze in arabischer Schrift aufgeschrieben.
Ein Dolmetscher hatte die wenigen Zeilen übersetzt. Laut Verlesung vor Gericht wies der Angeklagte in seinem schriftlichen Statement alle Schuld von sich. „Ich schwöre Ihnen, dass ich mich nur verteidigt habe. Gott ist mein Zeuge. Ich bin kein Verbrecher“, stand laut Übersetzer auf der Notiz.
Das spätere Opfer, das wohl zusammen mit ihm in einer Unterkunft für Geflüchtete gelebt hat, habe ihm mehrfach aufgelauert und ihn vier Mal angegriffen. Kurze Zeit vor der tödlichen Auseinandersetzung, so der Angeklagte, sei er mit seinem Fahrrad zu einem Supermarkt geradelt. Da habe der 66-Jährige auf ihn gewartet und ihm mit einem Stein auf die rechte Hand geschlagen. Monate zuvor habe das spätere Opfer mit einer Eisenkette auf ihn eingeschlagen. Laut seiner schriftlichen Bemerkungen hat sich der Angeklagte von dem Mann bedroht gefühlt.
Angeklagter will sich vielleicht zu späterem Zeitpunkt im Wendlinger Prozess äußer
Vor Gericht machte der 36-Jährige keine Angaben. Sein Verteidiger gab an, dass er möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt eine Einlassung seines Mandanten verlesen werde: „Aber sie wird sehr kurz sein.“
Im Prozess wegen des Tötungsdeliktes von Wendlingen sind vier weitere Verhandlungstage angesetzt. Auch ein psychiatrisches Gutachten wird erwartet, da Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten aufgekommen sind. Das Urteil wird nach derzeitiger Planung erst Mitte Oktober erwartet.