Der zur Tatzeit 24-Jährige soll im November einen 56-jährigen Jogger in Hochdorf getötet haben. Foto: Bernd Weißbrod

Im November wird ein Jogger in Hochdorf getötet. Ein 25-Jähriger soll die Tat begangen haben. Vor dem Landgericht Stuttgart wurden nun Stationen seines Lebens nachgezeichnet.

Er hat sich stark verändert. Auf der Aufnahme, die das Landratsamt Esslingen im Zuge der Erfassung seiner Daten gemacht hat, schaut er lebhaft-interessiert in die Kamera. Er trägt ein flottes Basecap, hat noch keinen Bart, wirkt gepflegt. Dieses Foto, das während der Verhandlung in Saal Vier des Stuttgarter Landgerichts eingeblendet wurde, scheint einen anderen Menschen zu zeigen.

 

Nun, knapp ein Jahr später, wirkt der gleiche Mann auch am zweiten Prozesstag desorientiert, unbeteiligt, geistig abwesend. Der rote, abgetragene Jogging-Anzug schlackert um seinen Körper, der Reißverschluss ist bis zum Hals zugezogen. Um Kinn und Mund des 25-Jährigen sprießt ein schwarzer Bart, die dunklen Haare sind raspelkurz geschnitten, seine einzige, erkennbare Bewegung ist das Aufsetzen des Kopfhörers für die Dolmetscherin. Es scheint, als ginge ihn das Ganze nichts an.

Angeklagter stellte Asylantrag

Dabei ist er wegen Mordes angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem afghanischen Staatsangehörigen vor, am 15. November vergangenen Jahres in der Kirchheimer Straße in Hochdorf gegen 12.26 Uhr einen unbeteiligten, zufällig vorbei kommenden Jogger mit einem „mitgeführten Klingenwerkzeug“ niedergestochen zu haben. Vor Gericht wird ein Dokument verlesen, wonach alarmierte Rettungskräfte 30 Minuten lang versucht haben, das 56-jährige Opfer wieder zu beleben. Doch der Mann erliegt seinen schweren Verletzungen. Ein Stich soll 17 Zentimeter tief eingedrungen und sein Herz durchstochen haben.

Der Angeklagte schweigt auch am zweiten Verhandlungstag zu seiner Biografie, und er macht auch keine Angaben zur Sache. Doch Stationen seines rastlosen Lebens werden von dem Gericht in trockenem Juristen- und Behördendeutsch anhand amtlicher Dokumente nachgezeichnet. Am 11. Februar 2000 kam der Angeklagte in der afghanischen Hauptstadt Kabul zur Welt.

Angeklagter kommt Ende 2022 in den Kreis Esslingen

Sein Weg in den ersten Lebensjahrzehnten bleibt vorläufig im Dunkeln. Doch im Oktober 2022 reist er in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er kommt einige Wochen später in die Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen im Ostalbkreis und Ende 2022 in den Landkreis Esslingen. Noch in Ellwangen stellt er kurze Zeit nach seiner Ankunft einen Asylantrag. Während dieser Zeit erhält er mehrere Aufenthaltsgestattungen zum Verbleib in Deutschland, die immer wieder verlängert werden.

Unter diesen unsicheren Vorzeichen gelingt es dem Angeklagten wohl nicht, Halt und Stabilität zu finden. Er lebt zunächst etwa ein Jahr lang in einer Asylbewerberunterkunft in Hochdorf. Laut behördlicher Anweisung wird er kurz vor der Tat von Hochdorf in eine andere Unterkunft nach Wernau verlegt. Dort bewohnt er ein Zimmer mit einem Gemeinschaftsraum und einer Gemeinschaftsdusche. Bis zum 7. Mai kann er laut vor Gericht verlesenen Dokumenten dort bleiben. Es besteht eine Option auf Verlängerung.

Im November 2024 war ein 56-jähriger Jogger in Hochdorf getötet worden. Foto: SDMG

Doch dazu kommt es nicht. Die Situation soll ihn frustriert, die Verlegung verärgert haben. Es soll Streit in seiner ehemaligen Bleibe gegeben haben. Zudem hatte sich der dortige Hausmeister wohl geweigert, einen Schraubenzieher, der angeblich dem Angeklagten gehörte, herauszurücken. Wut, Frust und Verärgerung über diese Lebensumstände sollen ihn laut Staatsanwaltschaft zu dem Tötungsdelikt in Hochdorf veranlasst werden.

Entscheidung gegen Asylantrag „unanfechtbar“

Der Angeklagte soll nach der Tat zu seiner Unterkunft in Wernau geflüchtet sein und wurde dort eine Stunde später als mutmaßlicher Täter festgenommen. Anfang 2025 wurde laut Gericht sein Asylantrag abgelehnt, Ende Januar wurde diese Entscheidung als „unanfechtbar“ eingestuft.

Der Prozess gegen den 25-Jährigen wird am Freitag mit Zeugenbefragungen fortgeführt. Danach sind weitere fünf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird nach jetziger Planung Anfang Juli erwartet.