Das Auto liegt nach dem Unfall völlig zerstört in einem Wald bei Amstetten. Foto: dpa

Er sucht den Kick und gibt Gas. Auf einer regennassen Landstraße bei Ulm. Das Ziel: ein Gefühl des Abhebens. Das Ergebnis: zwei Tote, ein Schwerstverletzter, Totalschaden, Gefängnis, Trauer.

Ulm - Unter der Haube 500 PS, auf dem Tacho Tempo 200, an Bord drei junge Mitfahrer. Zwei von ihnen sind am Ende tot, ein weiterer wohl zeitlebens behindert. Dafür soll der Mann am Steuer mit drei Jahren Freiheitsentzug büßen, so lautet am Donnerstag die Entscheidung eines Schöffengerichts in Ulm (Aktenzeichen 6LS 27 Js 20946/17). Das Gericht befindet den angeklagten 28 Jahre alten Raser der fahrlässigen Tötung und der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs für schuldig. Die letzten Worte des Angeklagten vor der Urteilsverkündung: „Es tut mir unglaublich leid. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke.“

Bei der Verhandlung im großen Saal des Ulmer Landgerichts sind die Eltern der Opfer immer wieder den Tränen nahe. Eine 24 Jahre alte Beifahrerin und ein 15-Jähriger starben, ein 16-Jähriger kann bis heute nur noch einzelne Worte sprechen. Die Staatsanwältin und die Nebenkläger, die Gutachter und die Zeugen - was sie zu sagen haben, ist selbst für unbeteiligte Beobachter schwere Kost.

Dashcam nimmt Unfall auf

Videos werden eingeblendet, aufgenommen während der Fahrt am 8. Oktober 2017 auf der Landstraße bei Amstetten (Alb-Donau-Kreis). Aufgenommen mit einer Dashcam aus dem Wagen des Rasers sowie aus dahinter fahrenden Autos mit Bekannten - Teilnehmer der vom Angeklagten organisierten „Ausfahrt“. Die Straße ist wegen gefährlicher Kuppen und nur eingeschränkter Sicht als gefährlich bekannt, die Höchstgeschwindigkeit daher auf Tempo 80 begrenzt. In einem der Videos hört man erst das Röhren eines Motors. Dann die Stimme des Angeklagten: „Da ist das geilste Stück, da kann man abheben, nicht vom Boden, aber gefühlt.“

Doch an einer Kuppe hebt der Wagen ab, echt und nicht nur gefühlt. Bis zu 3,5 Meter hoch, erklärt ein Gutachter. „Dann hat er eine Birke umgeknickt und noch andere Bäume.“ Die Wucht des Aufpralls sei enorm gewesen. Auf den Unfallbildern ist ein Wrack zu sehen, das kurz vorher noch ein Sportwagen war. Ein Wunder, so scheint es, dass überhaupt jemand überlebt hat.

„Maßlose Selbstüberschätzung“

Der Mann am Steuer - nach eigenen Angaben ein Kleinunternehmer und Hobby-DJ mit 2000 Euro Netto-Einkommen, aber einem dicken „Firmenwagen“ - habe nicht vorsätzlich gehandelt, betont sein Anwalt. Er hätte ja auch selbst umkommen können. „Dann säßen wir heute alle gar nicht hier.“ Eine Mutter schluchzt bei diesen Worten laut auf, Verzweiflung und Wut stehen ihr ins Gesicht geschrieben.

Der Verteidiger strebt ein Urteil von zwei Jahren an, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollen. Sein Mandant leide bis heute unter dem Geschehen und habe psychiatrische Behandlung in Anspruch nehmen müssen. Zudem habe er ein Geständnis abgelegt. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer „maßlosen Selbstüberschätzung“ des Rasers. Er habe aus „Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern“ skrupellos aufs Gaspedal gedrückt. Er habe zwar die Vorwürfe eingeräumt. „Doch Reue hat er nicht gezeigt.“

Vier Jahre keinen Führerschein

Richter Michael Klausner vom Strafreferat des Amtsgerichts und die beiden Schöffen folgen dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf drei Jahre Freiheitsentzug. Die Forderung von Nebenklägern nach lebenslangem Entzug des Führerscheins tragen sie nicht mit. „Ich erwarte, dass der Raser seine gerechte Strafe bekommt und nie wieder ein Auto fahren darf“, sagt Helmut Oswald (57), der Vater der getöteten 24-Jährigen vor Fernsehkameras. Das Gericht legt neben der Haftstrafe fest, dass der Verurteilte für mindestens vier Jahre und vier Monate keinen Führerschein mehr bekommen darf, zudem muss er sämtliche Kosten des Verfahrens tragen. Gleich nach der Verlesung des Urteils kündigt die Verteidigung an, in Revision zu gehen.