Im November tötete B. mutmaßlich Luca S., den Sohn seines Vermieters, und brannte das Haus nieder, in dem er wohnte. Liudmila Sideachin arbeitete an diesem Tag in der Bäckerei im Erdgeschoss des Hauses. Als sie Benzin roch, wurde sie aufmerksam.
Sie hat es versucht, aber es reichte nicht: Liudmila Sideachin tat, was sie konnte, um die Tötung von Luca S. zu verhindern – und brachte damit ihr eigenes Leben in Gefahr. Ihr Einsatz war vergeblich. Womöglich aber verschaffte sie der Freundin des Opfers die nötige Zeit, um sich zu retten.
Sideachin ist Köchin, sie arbeitete in der Bäckerei von Jajub Khan. Den Bäckerladen gibt es nicht mehr, weil das Haus abgebrannt ist. Niedergebrannt von B., dem Mann, der Luca das Leben genommen haben soll. Nach derzeitigem Erkenntnisstand setzte er das Haus in Brand und machte sich dann auf, Luca S. und dessen Freundin zu töten. Sideachin steht nun, drei Wochen später, vor der Brandruine und erzählt, was sie durchlebte.
Die Zeugin sah den Kampf zwischen Luca und dem Täter
Am Tag der Tat war sie vor Ort. Es war am frühen Morgen. Es roch nach Benzin. Sie erinnert sich, dass ihr der Geruch Kopfweh verursachte. Sie ging zur Tür zum Treppenhaus, „um zu riechen, woher das kommt“. Dann hörte sie zwei Männerstimmen – die des mutmaßlichen Täters und die des Opfers. Sie merkte, dass etwas nicht stimmte und öffnete die Tür. Rief da jemand nach Hilfe? Es war die Stimme von Lucas Freundin. Sideachin rief: „Brauchst du Hilfe?“ Die Antwort: „Ja, wir brauchen Hilfe!“ Sie lief die Treppe hoch und sah, wie B., der Täter, und Luca, das Opfer, miteinander rangen. „Ich bin eine Frau, habe keine Macht, aber ich versuche es“, dachte sie. Nach ihrer Erinnerung lag B. halb auf dem Rücken. Er trug eine Flasche auf dem Rücken und hielt einen Schlauch. Eine Art Flammenwerfer? Luca versuchte, ihn zu bändigen. Sie war sehr nah dran. Dann, so die Erinnerung von Sideachin, fiel ein Schuss. Sie sah Blut. Sie selbst spürte etwas am Arm. Etwas traf sie, vielleicht ein Querschläger aus der selbst gebauten Waffe. Heute noch sieht man Spuren davon.
Sie hörte auch ein Zischen, womöglich aus dem Gerät, dass B. auf dem Rücken trug. Dann eine Explosion. Eine zweite Explosion. Alles ging schnell. Sideachin rief Lucas Freundin zu, wegzurennen. Sie selbst rannte. Als sie sich ein wenig in Sicherheit wähnte, rief sie ihren Chef Jajub Khan an, der in der Nähe wohnt. Er war schnell am Ort des Geschehens und einer der Ersten, der die Polizei alarmierte. Ein Video, das einige Tage im Internet zu sehen war, zeigt ihn, wie er aufgeregt hin und her läuft und mit der Polizei schimpft. Heute sagt er, er wisse, dass das nicht korrekt war, doch er sei aufgelöst gewesen. War es doch erst wenige Tage her, dass er selbst die Polizei informiert hatte: „Was hier gerade passiert, ist kein Spaß.“
Der Täter aus Esslingen baute seine Waffen selbst
Denn wie für etliche andere Zeugen war auch für Khan dieser Anschlag auf Lucas Familie und dessen Freundin vorhersehbar. Wie viele andere hatte auch er frühzeitig Alarm geschlagen. Es war eine von vielen Anzeigen: Wenige Tage vor der Tat war es sehr laut in der Wohnung des Täters B. Er baute etwas. Die Waffe? Das Instrument, mit dem er Feuer legte? Jedenfalls lag die Befürchtung in der Luft, dass es nichts Gutes sein konnte.
Wegen der Anzeige kam B. in den Laden und verlangte von den Angestellten, ihm zu sagen, wer dafür verantwortlich sei. Mit aggressiver Stimme, so Khan, fragte er: „Wer?“ Und wiederholte: „Wer?!“ Der Verkäufer bat ihn leise und höflich zu gehen. Man habe noch nicht geöffnet. „Du oder er?“, fragte B. weiter. „Beide?“ Und dann sprach er laut Khan die Drohung in jener Art aus, wie sie auch andere – die Familie, Freunde, Bekannte – bereits mehrfach erfahren hatten: verklausuliert, aber offensichtlich. „Ich habe Geschenke und gute Ideen.“ Und dann: „Pass auf! Pass auf! Pass auf!“
Die Polizei kennt den Vorfall in der Bäckerei. Es gibt sogar ein Überwachungsvideo, das Khan der Polizei aushändigte.
Lucas Freundin entkam dem Täter. Bereits vom Feuer erfasst, rettete sie sich durch einen Sprung aus dem Fenster. Auch hier war Khan einer der Ersten, der half.