Verdacht auf giftige Stoffe: Ermittler in Castrop-Rauxel Foto: dpa/Marc Gruber

Der in Castrop-Rauxel festgenommene Terrorverdächtige wollte mutmaßlich ein Attentat mit den Giftstoffen Rizin und Cyanid verüben. Auch andere tödliche Substanzen werden für terroristische oder militärische Zwecke eingesetzt. Ein Überblick.

Der Terrorverdächtige in Castrop-Rauxel soll einen Anschlag mit Rizin geplant haben. Das Eiweiß kommt natürlicherweise in den Samen der Rizinusstaude – auch Wunderbaum genannt – und verwandten Rizinusarten vor. Es wird aus den Pressrückständen gewonnen, die bei der Herstellung von Rizinusöl zurückbleiben. Rizin blockiert die Proteinsynthese in den Zellen. Damit können diese lebenswichtigen Eiweißverbindungen nicht mehr hergestellt werden – die vergifteten Zellen sterben.

Besonders giftig ist Rizin, wenn es eingeatmet oder injiziert wird. Die meisten Rizin-Vergiftungen entstehen nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) aber, wenn Kinder versehentlich Rizinus-Samen verschlucken, die teilweise in Schmuckstücken verarbeitet werden. Zu den Symptomen einer Vergiftung zählen Übelkeit und Erbrechen, Muskelschmerzen, Leber- und Nierenschäden sowie Kreislaufversagen – oder Lungenödeme nach dem Einatmen von Rizin. In letzterem Fall treten laut RKI nach vier bis acht Stunden erste Symptome auf, binnen 18 bis 24 Stunden folgten Lungen- und Kreislaufversagen.

Bei einer Vergiftung können lediglich die Symptome behandelt werden, spezifische Therapiemöglichkeiten gibt es bisher nicht. Die tödliche Dosis wird mit 0,3 bis 20 Milligramm reinem Rizin pro Kilogramm Körpergewicht beziffert – bei einem 65 Kilo schweren Erwachsenen wären das 20 Milligramm bis 1,3 Gramm. Das RKI stuft Rizin als Biologische Waffe ein.

Cyanid: Starkes Atemgift

Cyanide sind Salze der Blausäure. Am bekanntesten ist Cyankali (chemisch: Kaliumcyanid) – jener Stoff, mit dem sich beispielsweise der Nationalsozialist Hermann Göring 1946 in der Nacht vor seinem Hinrichtungstermin das Leben genommen hat. Gifte auf Cyanid-Basis können nicht nur durch Verschlucken, sondern auch durch Einatmen aufgenommen werden. Kommen Cyanide mit Wasser in Kontakt, entsteht Blausäure (Cyanwasserstoff). Cyanide führen schnell zu einer tödlichen Atemlähmung. Toxikologen beziffern die tödliche Dosis für einen 80 Kilogramm schweren Erwachsenen mit rund 230 Milligramm reinem Cyanid.

Natürlicherweise kommen Cyanide unter anderem in Bittermandeln und Aprikosenkernen vor. Erwachsene sollten deshalb nach Angaben der Bundesanstalt für Risikobewertung nicht mehr als zwei bittere Aprikosenkerne pro Tag verzehren. Cyanide werden auch in der Metallgewinnung und -verarbeitung, bei der Kunststoffherstellung und bei der Synthese organischer Verbindungen eingesetzt.

Nowitschok: Potentes Nervengift

Zu den stärksten Giften, die von Menschen hergestellt wurden, zählt das Nervengift Nowitschok, mit dem vor rund zwei Jahren etwa der russische Oppositionelle Alexej Nawalny im Jahr 2020 vergiftet wurde, der wohl nur dank massiver medizinischer Gegenmaßnahmen am Leben blieb. Auch andere Kritiker versuchte der Kreml durch den Einsatz von Nowitschok zu beseitigen – teilweise mit Erfolg. Der Kampfstoff ist in den 70er und 80er Jahren in der damaligen Sowjetunion entwickelt worden.

Wenn eine entsprechende Dosis Nowitschok eingeatmet wird, entfaltet es seine tödliche Wirkung innerhalb von Sekunden oder Minuten. Wird es über die Haut aufgenommen, dauert es länger – und je nach Dosis gibt es Überlebenschancen. Allerdings soll bereits die Menge eines Salzkorns auf der Haut tödlich wirken.

Selbst wenn man die Giftattacke übersteht, ist die Gefahr von Spätwirkungen groß. Nowitschok bewirkt wie auch andere Nervengifte die Übertragung von Informationssignalen zwischen den Nerven- und Muskelzellen. Neben heftigen Krämpfen zählt zu den lebensbedrohlichen Folgen, dass Atemmuskulatur und Herzmuskel gelähmt werden.

Sarin: Tödliche Chemiewaffe

Entwickelt wurde das Nervengas Sarin in Deutschland – und im Zweiten Weltkrieg zwar hergestellt, aber nicht angewendet. Es wirkt wie Nowitschok hemmend auf das Enzym, das den Botenstoff Acetylcholin abbaut: Akut tödlich sind Atemlähmung und Herzstillstand. Es lässt sich vergleichsweise einfach produzieren, weshalb es auch kleinere Staaten besitzen dürften. So haben Experten der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen bestätigt, dass etwa beim Angriff auf die syrische Stadt Chan Scheichun Sarin eingesetzt wurde. Traurige Berühmtheit erlangte auch 1995 der Sarin-Angriff in Tokios U-Bahn.

VX: Stärker als Sarin

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Amerikaner ein Nervengift unter dem Codenamen VX entwickelt. Die Giftwirkung soll etwa dreimal so groß wie bei Sarin sein – aber noch erheblich unter der von Nowitschok liegen. Wie die beiden anderen Gifte hemmt die organische Phosphorverbindung den Abbau des Überträgerstoffs Achetylcholin. Mit dem Gift können beispielsweise große Gebiete praktisch unpassierbar gemacht werden. Berühmt wurde VX, weil damit Kim Jong-nam, der Halbbruder des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, umgebracht worden sein soll.

Botulin: Bio-Supergift

Botulinumtoxin – kurz Botulin – ist das stärkste Gift, dass die Natur hervorgebracht hat. Ein Gramm würde genügen, um weit mehr als eine Million Menschen umzubringen. Das Supergift, das von Bakterien der Gattung Clostridium produziert wird, findet sich etwa in verdorbenem Fleisch und kann schwere Lebensmittelvergiftungen auslösen. Die Symptome reichen von Übelkeit bis zu Sehstörungen und Muskellähmungen.

Botulin hemmt die Produktion des Botenstoffs Acetylcholin, der Reize zwischen Nervenzellen überträgt. In extrem niedrigen Dosierungen wird es auch als Anti-Faltenmittel eingesetzt. Zudem werden mit Botulin neurologische Erkrankungen wie der Lidkrampf behandelt, die mit überaktiven Muskeln einhergehen.