Im ersten Stock dieses Hauses in Wangen ist es zu dem tödlichen Polizeieinsatz gekommen. Foto: Florian Dürr

In Wangen bei Göppingen greift ein Asylbewerber zum Messer, die Polizei erschießt ihn. Der Tatort direkt gegenüber vom Rathaus gilt als Brennpunkt.

Wer an diesem Vormittag im Ortszentrum von Wangen (Kreis Göppingen) zum Friseur möchte, muss erst die Polizei fragen. Weiträumig ist der Platz, an dem sich Gaststätte, Getränkeladen und Friseursalon reihen, mit weiß-rotem Flatterband abgesperrt. „Unfall“ steht auf einem Warndreieck. Beamte der Spurensicherung kommen in weißen Ganzkörperanzügen aus einem Mehrfamilienhaus und suchen unter einem blau-weißen Pavillon Schutz vor der Sonne. In einem der Fenster im ersten Obergeschoss des Hauses ist ein kreisrundes Loch zu sehen, das von den Geschehnissen zeugt. Am Morgen ist hier ein 27-jähriger Asylbewerber durch Polizeischüsse zu Tode gekommen.

 

Für die Kollegen sei es eigentlich ein Routineeinsatz gewesen, wie er ständig vorkomme, sagt Daniel Frischmann vom Polizeipräsidium in Ulm. „Vollstreckung eines Vorführbefehls“, heißt die Aufgabe im Behördendeutsch. Der junge Mann aus Afghanistan habe eine Geldstrafe, die wegen eines Körperverletzungsdelikts gegen ihn verhängt worden war, nicht bezahlt. Die beiden Streifenbeamten sollten das Geld kassieren oder den Mann zur Ersatzhaft mitnehmen.

Das Landeskriminalamt übernimmt die Ermittlungen

Völlig unvermittelt habe der 27-Jährige ein Messer gezogen und habe die Beamten angegriffen. Die Polizisten eröffnen daraufhin das Feuer. Ein Beamter wird bei dem Messerangriff schwer verletzt. Er liege in der Klinik, befinde sich aber außer Lebensgefahr, sagt Frischmann. Der Asylbewerber hingegen erliegt seinen Verletzungen.

Viel mehr kann Frischmann nicht berichten. Wie in Fällen von polizeilichem Schusswaffengebrauch üblich, hat das Landeskriminalamt die Ermittlungen übernommen. Auch die Bürgermeisterin des 3200-Einwohner-Ortes, Mary-Ann Schröder (parteilos), gibt sich wortkarg. Sichtlich schockiert steht sie mit einigen Mitarbeiterinnen vor dem Rathaus in Sichtweite des Tatorts und raucht. Ob auch sie die Schüsse gehört hat, will sie nicht sagen, bestätigt aber, dass die Gemeinde seit Jahren mehrere Wohnungen in dem Sechs-Parteien-Haus als Sozialwohnungen angemietet hat.

Polizei äußert sich nicht zum Querschläger

„Ich habe den ganzen Morgen Sirenen gehört“, berichtet ein Anwohner. Das Haus gelte als ein Brennpunkt und Unruheherd im Ort. „Da ist oft was los gewesen. Da wurde gefeiert und getrunken, wie das eben so ist, wenn zu viele junge Leute zu nahe beieinander wohnen“, meint ein 44-jähriger Nachbar. Kurz nach dem Vorfall sei er mit seinem Hund unterwegs gewesen. Direkt vor der Haustür sei dem blutenden Polizisten Erste Hilfe geleistet worden. Dann seien immer mehr Polizeiautos und Rettungswagen angefahren.

Auch das Einschussloch in der Fensterscheibe sei ihm aufgefallen. Zu dem Querschläger äußert sich die Polizei nicht. „Kurz vorher sind meine Kinder dort zur Schule gelaufen“, sagt der 44-Jährige. Das mache einem dann schon Angst. Doch am Nachmittag kehrt in Wangen allmählich wieder Ruhe ein. In Stuttgart äußert sich derweil der Innenminister zu dem Fall: „Wer mit einem Messer einen Polizisten angreift, hat sich entschieden, nicht mehr zu leben, nicht mehr in diesem Land zu leben“, sagt Thomas Strobl (CDU).