In Belgrad herrschen Trauer und Fassungslosigkeit. Foto: dpa/Darko Vojinovic

Ein 14-Jähriger hat in Serbiens Hauptstadt Belgrad an seiner Schule acht Mitschüler und den Portier erschossen. Der Täter wollte sich offenbar rächen.

Weinende Angehörige, fassungslose Lehrer und traumatisierte Kinder: Der Amoklauf eines 14-jährigen Schülers in der Vladislav-Ribnikar-Schule in Serbiens Hauptstadt Belgrad hat am Mittwochmorgen mindestens neun Menschenleben gefordert. Weitere sechs Kinder und eine Lehrerin wurden zum Teil schwer verletzt in die Belgrader Krankenhäuser eingeliefert. Der Täter wurde auf dem Schulhof von Polizisten überwältigt.

Unablässig heulten durch die Belgrader Straßenschluchten am Vormittag die Sirenen der Rettungswagen. Der „schwärzeste Tag in Serbien“ titelte das Webportal Nova.rs. Dabei hatte der wolkenverhangene Tag an der für ihren Französisch-Schwerpunkt bekannten und als renommiert geltenden Schule wie jeder andere Schultag begonnen.

Kurz nach Unterrichtsbeginn peitschten Schüsse durch die Schule

Gehetzt oder fröhlich plappernd hatten sich die Schülerinnen und Schüler nach den viertägigen Kurzferien am verlängerten Ersten-Mai-Wochenende zu der im Stadtteil Vracar gelegenen Grund- und Hauptschule aufgemacht. Doch bereits kurz nach Unterrichtsbeginn um acht Uhr sollten mehrere Salven peitschender Schüsse im Erdgeschoss den Frieden stören und entsetzte Schreie und panischen Schrecken verursachen.

Vergeblich versuchte der Portier Dragan V. in der Eingangshalle den mit gezogener Pistole in die Schule gekommenen Todesschützen zu überwältigen: Der Pensionär, der sich an der Schule ein Zubrot zu seiner Rente verdiente, wurde von dem wild um sich schießenden Jugendlichen als Erster ermordet. Aus der Sporthalle heraus habe sie gesehen, wie der Portier zu Boden fiel, berichtete ein Mädchen den Reportern.

Der Täter hatte die Tat seit einem Monat vorbereitet

Danach traf der Siebtklässler Kosta K. in der Klasse 7/2 vor den Augen seiner Mitschüler mit der Pistole seines Vaters die Geschichtslehrerin in den Hals. Dann schoss er auf seine Altersgenossen, die sich unter ihre Tische warfen oder aus dem Fenster ins Freie sprangen. Er habe in dem Klassenzimmer auf dem Boden neben einer getöteten Freundin gelegen, berichtet später ein sichtlich erschütterter Junge: „Ich stellte mich tot – und konnte mein Leben so retten.“

Der Belgrader Polizeichef Veselin Milic berichtete, dass der Täter seinen Amoklauf schon einen Monat lang geplant hatte: Bei dem Jungen sei eine Liste von Mitschülern gefunden worden, die er zu töten beabsichtigte. Als stillen, aber sehr guten Schüler, der im Unterricht nie Probleme gemacht habe, beschrieben Klassenkameraden den Amokläufer. Der mutmaßliche Grund für das Blutbad: die Wut über eine „Eins“ – die schlechteste Note in Serbien. Vermutlich hatte der Musterschüler ein noch fürchterlicheres Massaker geplant: In einem Rucksack im Klassenzimmer wurden laut Medienberichten eine weitere Waffe und vier Molotowcocktails gefunden.

Serbien wird von Gewalttaten unter Kindern erschüttert

Alle Belgrader Schulen sagten am Mittwoch den Nachmittagsunterricht ab, während Serbiens Regierung eine dreitägige Staatstrauer ankündigte. In der Hauptstadt riefen die Medien für die in die Notfallklinik eingelieferten Schwerverwundeten zu Blutspenden auf.

Die Tragödie an der Belgrader Schule sei eine letzte Warnung, dass Serbiens Gesellschaft den kritischen Punkt bei der zunehmenden Gewalt auch unter Kinder längst überschritten habe, sagte der Ombudsmann Zoran Pasalic.

Tatsächlich wird der Balkanstaat seit Monaten von einer Welle der Familiengewalt und einer steigenden Zahl von Frauenmorden erschüttert. Ein noch immer nicht gelöstes Problem ist in Serbien wie in den Nachbarstaaten die hohe Zahl von nicht registrierten Schusswaffen seit den Jugoslawienkriegen der 90er Jahren.

Laut Angaben des am Mittwoch zeitweise inhaftierten Vaters von Kosta K. sei die Tatwaffe allerdings legal gemeldet gewesen und von ihm im Safe der Familie eigentlich auch sicher verwahrt worden: Doch habe sich sein Sohn ohne sein Wissen offenbar die Geheimzahl fürs Öffnen des Safes verschafft.