Nach der tödlichen Mannheimer Messerattacke in Mannheim will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Schwerstkriminelle nach Syrien und Afghanistan abschieben. Aus den Ländern wächst der Druck, jetzt Taten folgen zu lassen.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl erwartet angesichts der aktuellen Debatte um Abschiebungen von der Bundesregierung bis zur nächsten Innenministerkonferenz (IMK) ein Lagebild über mögliche sichere Gebiete in Afghanistan und Syrien. „Bis dahin muss die Bundesregierung eine Lageeinschätzung vom Außenministerium vorlegen, in der die sicheren Gebiete, in die abgeschoben werden kann, für Afghanistan und Syrien definiert sind“, sagte der CDU-Politiker der „Bild“ (Samstag). Die nächste Innenministerkonferenz ist vom 19. bis zum 21. Juni in Berlin.
Thüringens Innenminister Georg Maier kritisierte das Auswärtige Amt für dessen Sicherheitsbewertungen für beide Länder. „Für mich ist völlig unverständlich, dass das Auswärtige Amt mit seiner Sicherheitsbewertung immer noch sämtliche Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Syrien und Afghanistan verhindert. Das kann man den Menschen nicht mehr erklären“, sagte der SPD-Politiker der „Bild“.
Abschiebestopp für Afghanen seit Mitte 2021
Nach der Messerattacke in Mannheim hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen zu wollen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) prüft das derzeit. Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban in Kabul im August 2021 gilt in Deutschland ein Abschiebestopp für Afghanen.
Ein 25-jähriger Afghane hatte am Freitag vergangener Woche fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizisten in Mannheim mit einem Messer verletzt. Der 29 Jahre alte Beamte Rouven Laur erlag später seinen Verletzungen.
In der Union wurde Scholz’ Ankündigung mit Zweifeln kommentiert. „Ich hoffe wirklich, dass es passiert, glaube aber noch nicht daran. Der Bundeskanzler hatte schon im Oktober im „Spiegel“ angekündigt, dass „im großen Stil“ abgeschoben wird“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Samstag ntv.de. „An Scholz’ Stelle würde ich morgen ins Flugzeug steigen, nach Schweden fliegen und mich informieren, wie die das machen. Denn die Schweden haben im letzten Jahr mehrere Straftäter nach Afghanistan abgeschoben“, sagte Linnemann.
Söder: „Bislang ist nichts passiert“
Ähnlich äußerte sich CSU-Chef Markus Söder. Er befürchte, die Worte des Kanzlers seien dem Wahlkampf geschuldet, sagte Bayerns Ministerpräsident dem Sender Welt TV am Freitag mit Blick auf die Europawahl. „Bislang ist nichts passiert.“ Eine Regierungserklärung des Kanzlers helfe nicht weiter, solange sich die Grünen nicht bewegten.
Die Taliban hatten sich zuletzt angesichts der Debatte um Abschiebungen afghanischer Straftäter und Gefährder offen für eine Zusammenarbeit gezeigt. „Das Islamische Emirat Afghanistan fordert die deutschen Behörden auf, die Angelegenheit im Rahmen der üblichen konsularischen Beziehungen und eines geeigneten Mechanismus auf der Grundlage einer bilateralen Vereinbarung zu regeln“, teilte der Sprecher des Taliban-Außenministeriums, Abdul Kahar Balchi, am Freitag auf der Plattform X mit.
Kritiker warnen vor Gesprächen mit den international isolierten Islamisten. Auch im Auswärtigen Amt in Berlin ist die Skepsis groß. „Etwaige Rückführungen werden sich die Taliban mindestens durch internationale Anerkennung bezahlen lassen wollen“, sagte ein Sprecher des Ministeriums von Annalena Baerbock (Grüne) am Freitag.
Söder forderte unterdessen, den subsidiären Schutz für Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien abzuschaffen. „Das Problem ist, dass viele Menschen aus Afghanistan, aus Syrien kommen, gar kein individuelles Asylverfahren mehr bekommen, sondern es gibt eine Art Blankoscheck. Den sogenannten subsidiären Schutz“, kritisierte Söder. „Das heißt, praktisch jeder, der dort kommt, wird als quasi verfolgt eingestuft. Das halte ich für einen Fehler.“
Kretschmer forderte Abschiebungen mehrfach straffälliger Migranten
Als subsidiär schutzberechtigt gelten Menschen, die stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht und sie den Schutz ihres Herkunftslandes nicht in Anspruch nehmen können oder wegen der Bedrohung nicht in Anspruch nehmen wollen.
Auch Migrationsexperte Daniel Thym äußerte sich kritisch. „Kaum jemand bezweifelt hierzulande, dass praktisch alle Syrer und Afghanen einen Schutzstatus erhalten – mit der Folge, dass sie völlig legal in Deutschland leben und umfassend gleichbehandelt werden“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Ob ein Asylantrag erfolgreich ist, richtet sich nach der Situation im Herkunftsland. Diese veränderte sich in Syrien, Afghanistan und im Übrigen auch in der Ukraine.“
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer forderte Abschiebungen mehrfach straffälliger Migranten mit Vollendung des 18. Lebensjahres auch ohne neuerliche Straftat. Bestehende Gesetze müssten angepasst werden, um das zu ermöglichen, sagte der CDU-Politiker am Freitag in einem Interview des Sachsen Fernsehens. „Wir geben Menschen Schutz. Wenn diese unsere Solidarität missbrauchen, weil sie kriminell werden, und das nicht, weil sie mal falsch geparkt haben, sondern ständig und vor allem mit Gewalt, dann haben die doch keinen Anspruch darauf, hier zu sein.“
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sprach sich für ein Sonder-Rückführungsprogramm für ausreisepflichtige ausländische Mehrfach- und Intensivtäter aus. „Würden wir deutschlandweit Turbo-Abschiebungen für Intensivtäter realisieren, hätten wir im nächsten Jahr eine völlig andere Kriminalitätsstatistik“, sagte er der „Sächsischen Zeitung“ (Samstag).