Helfer haben 2018 nach den Verschütteten gesucht. . Foto: dpa/Walter Wegmann

Vor zwei Jahren sind zwei Ludwigsburger in Südtirol in einer Lawine gestorben. Die dortige Staatsanwaltschaft wirft einer Gruppe von Skifahrern jetzt vor, das Unglück mit verursacht zu haben.

Ludwigsburg - Gut zwei Jahre nach dem tödlichen Lawinenunglück in Südtirol, bei dem eine Mutter aus Ludwigsburg und ihre Tochter starben, hat die Staatsanwaltschaft Bozen Anklage erhoben. Die Ermittler werfen der begleitenden Gruppe von sechs Skifahrern fahrlässige Tötung und das Auslösen einer Lawine vor – in Italien ist das ein Straftatbestand. Alle Skifahrer gehören der Schneeläuferzunft Ludwigsburg an, sie hatten sich aber in Eigenregie auf Wettkämpfe vorbereitet. Die Sportler waren auf der Haideralm nahe der österreichisch-italienischen Grenze trotz einer Lawinenwarnung im ungesicherten Gelände unterwegs gewesen.

Staatsanwaltschaft wirft der Gruppe fehlende Sorgfalt vor

Noch vergangene Woche hatte eine Ludwigsburger Lokalzeitung berichtet, eine Anklage sei unwahrscheinlich. Allerdings hatte schon im Dezember der für die Vorermittlungen zuständige Richter Walter Pelino auf ein Gutachten von Jürg Schweizer verwiesen, dem Direktor des Instituts für Schnee und Lawinenforschung in Davos, das in einer Anhörung am 12. November vorgetragen worden war. „Aus dem Gutachten ergibt sich deutlich meiner Meinung nach eine Verantwortung der Gruppe der Skifahrer“, schrieb er damals. Dieser Einschätzung ist die Staatsanwaltschaft Bozen nun gefolgt.

Es geht um die Frage, welche Verantwortung die Ludwigsburger Skifahrer dafür tragen, dass die tödliche Lawine am 3 Januar 2018 ausgelöst wurde. Die aus zwei Kindern und sieben Erwachsenen bestehende Gruppe kannte die Gegend gut und organisierte auf der Haideralm regelmäßig Ausflüge. Schon am Vormittag waren sie von der Piste abgewichen, um durch Tiefschnee zu gleiten. Was nicht verboten ist, doch es herrschte die Lawinenwarnstufe 3 von 5, also „erhebliche Gefahr“. In der Anklageschrift heißt es, die Gruppe habe Schilder nicht beachtet, die vor Lawinengefahr gewarnt hätten, wenn man sich abseits der Pisten bewege. Auf 2600 Metern hatten sie sich auf ein unwegsames Stück gewagt.

Das Unglück fand 300 Meter abseits der Piste statt

Einzeln passierten sie die schwierige Stelle. Beim letzten Fahrer löste sich das mit 150 Metern sehr breite Schneebrett, dies fand laut Staatsanwaltschaft 300 Meter abseits der regulären Strecke statt. Sechs Fahrer retteten sich in ein Waldstück, einer wurde verschüttet, konnte aber geborgen werden. Die 45-Jährige und die Elfjährige wurden auf 2200 Metern Höhe von der Lawine überrollt. Die Mutter soll noch versucht haben, ihrer Tochter zu helfen – und schaffte es nicht mehr, ihren Lawinen-Airbag auszulösen. Beide starben in den Schneemassen, der Ehemann und Vater konnte nichts tun.

Auch er muss sich nun der Anklage am Landgericht Bozen stellen. Im Schriftsatz des vorermittelnden Richters Walter Pelino, der von der Staatsanwaltschaft übernommen wurde, heißt es, die Gruppe habe nicht die nötige Sorgfalt und Umsicht walten lassen, um andere Personen nicht zu gefährden. Zumal die Wetterbedingungen ungünstig gewesen seien, die „durch einen gerade herrschenden Schneesturm gekennzeichnet“ gewesen seien. Zudem habe man sich nicht an die Vorschriften laut Beschilderung gehalten, heißt es.

Anwalt weist die Vorwürfe zurück

Der Verteidiger des Mannes, der Ludwigsburger Anwalt Christoph Schickhardt, sieht das alles ganz anders: „Das Verfahren steht noch ganz am Anfang, es gibt keine Hinweise darauf, wie die Lawine ausgelöst wurde.“ Das Gutachten des Lawinenexperten, das vor Gericht vorgetragen worden sei, zähle zahlreiche mögliche Ursachen auf. Etwa ein Tier, das Wetter oder schlicht unglückliche Umstände. Es könne „keine seriöse Feststellung getroffen“ werden, wer verantwortlich sei. Die Ermittlungen würden vollkommen neu beginnen. Schickhardt: „Ich gehe davon aus, dass der Richter des Verfahrens ein neues Gutachten beauftragen wird.“

Der Vorsitzende der Schneeläuferzunft will sich zwei Jahre nach dem Unglück nicht mehr äußern – zu groß ist die Betroffenheit und Trauer über den Tod zweier Mitglieder. Hinzu kommt jetzt noch die Sorge um das offene juristische Verfahren. Ein Termin für den Prozess ist noch nicht angesetzt. Auch welcher Richter künftig dafür zuständig ist, bleibt offen – in Italien sind Vorermittlung und Prozessführung personell getrennt.