Albert Schweitzer in Lambaréne Foto: dpa

Er war ein Arzt ohne Grenzen. Der Deutsch-Franzose Albert Schweitzer, war nicht nur Mediziner, sondern auch Theologe, Philosoph und Pazifist. Vor 50 Jahren, am 4. September 1965, starb er in seinem Urwald­hospital in Lambaréné.

Stuttgart - Das Lebenswerk von Albert Schweitzer hat über die Jahre nicht an Anziehungskraft verloren. In den vergangenen Jahren gewann er vor allem im Blick auf die Ökologie-Debatte an Bedeutung. Und in diesen Wochen erinnern europaweit Vorträge wie Orgelkonzerte an den Urwalddoktor von Lambaréné, aber auch an den Gelehrten und Musiker, der vor einem halben Jahrhundert verstarb. Überdies gilt es, in diesem Jahr an sein geistiges Werk zu erinnern, das vor 100 Jahren entstand: seine wegweisende Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“.

Der Vielinteressierte

Schweitzer stammt aus einem elsässischen Pfarrhaus. Bereits in frühen Jahren macht er sich als evangelisch-liberaler Theologe einen Namen. Er streift den exklusiven Offenbarungsanspruch des Christentums ab und lässt die Dogmatik in der Ethik aufgehen. Vielbeschäftigt, widmet er sich auch der Philosophie. Schopenhauer hat es ihm besonders angetan. Aber er bewundert auch Goethe, der lebenslang sein Ratgeber ist. Über alles liebt er die Musik. Er tritt als begeisterter Orgelspieler auf, regt die „Elsässische Orgelreform“ mit an. Zudem interpretiert er Bach in neuer Weise und gibt sein Orgelwerk heraus .

Der Doktor von Lambaréné

Als 30-Jähriger fasst Schweitzer den Entschluss, sich „einem unmittelbaren, menschlichen Dienen zu weihen“. Er studiert noch Medizin, als er 1913 nach Französisch-Äquatorialafrika (heute Gabun) ausreist und dort das Tropenhospital Lambaréné gründet. Es wird sein Lebenswerk. Innerlich getrieben, versorgt der knorrige wie patriarchalische Doktor mit erstaunlicher Ausdauer seine Patienten, die ihn von weit her aufsuchen.Mittels Fundraising-Touren durch Europa finanziert Schweitzer das Hospital, er hält Vorträge und gibt Orgelkonzerte. An seiner Seite steht die jüdischstämmige Gattin Helene, eine Krankenschwester und Pädagogin. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg warnt er mit Albert Einstein vor dem Atomkrieg und tritt für den Weltfrieden ein.

Der Weltphilosoph

Trotz der ihn bisweilen übermannenden Arbeit findet Schweitzer bei nächtlichem Kerzenschein noch Zeit, Bücher zu schreiben. In den drei Bänden seiner „Kulturphilosophie“ versucht er den Weltkulturen und Religionen einen neuen Weg zu ebnen. Dieser Weg leuchtet erstmals in einem Inspirationserlebnis auf, das ihm im September 1915 während einer Flussfahrt auf dem Ogowe widerfährt: Umgeben von einer Herde Nilpferde, wird er der „Ehrfurcht vor dem Leben“ gewahr. Diese sei, so Schweitzer, ein universales Grundprinzip und schließe alles Lebende ein.

Die Erkenntnis führt ihn zu einer Lebensanschauung der mystischen Weltverbundenheit: zu einer vom Pantheismus geprägten humanistisch-ökologischen „Weltphilosophie“, in der Denken und ethisches „Erleben des Lebens“ zusammenfließen.

Demnach sei, wie Schweitzer meint, der glücksuchende Mensch angewiesen, in die ethische Weltverbundenheit hineinzuwachsen und eine „bewahrende Hingabe an das Leben“ auszuüben. Erst so könne der Mensch, der sich in einer „rätselhaften Welt“, einem „im All umhergewirbelten Staubkörnchen“, wiederfindet, dem „großen Geheimnis des Lebens“ nahekommen. Mit diesem Entwurf wird Schweitzer als „Anreger einer Wende vom Schulbegriff zum Weltbegriff der Philosophie“ (Ernst Cassirer) und als Vordenker einer ökologischen Ethik sichtbar.

Der nahe Verwandte Gottes

Die konsequente Umsetzung seines ethischen Ansatzes hat den schnurrbärtigen Urwalddoktor, der nach Ansicht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ wie ein „naher Verwandter des lieben Gottes“ aussieht, weltweit zu einer Symbolgestalt gelebter Humanität gemacht. Dafür wurde er mannigfach geehrt, 1952 erhielt er den Friedensnobelpreis.

Mit 90 Jahren schloss Albert Schweitzer am 4. September 1965 in seinem Urwaldhospital für immer die Augen. Sein großes Werk, Lambaréné, ist heute eines der modernsten Krankenhäuser in Gabun.

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