Schöne Augenblicke genießen – zum Beispiel einen sonnigen Wintertag. Foto: Kathrin Zinser/Kathrin Zinser

Mit gerade einmal 40 Jahren starb ein guter Freund unserer Kolumnistin. Warum sie sich noch genau an den Morgen nach seinem Tod erinnert und was von ihm bleibt.

Im Dezember vor einem Jahr hatten wir das letzte Mal über WhatsApp Kontakt: „Wir denken sehr oft an dich“, hatte ich einem guten Freund geschrieben. „Vielen lieben Dank“, lautete seine Antwort. Telefonieren konnte er nicht mehr. In den Tagen darauf verschlechterte sich sein Zustand dramatisch, schließlich starb er. Jahrelang hatte er gegen die Leukämie gekämpft und doch verloren. Er wurde nur 40 Jahre alt.

„Genieß dein Leben, so lange du es hast“, hat mein Freund in den Monaten vor seinem Tod immer gesagt. Oft habe ich daran gedacht im zu Ende gehenden Jahr. Meistens dann, wenn ich gerade mit irgendeiner lästigen, aber doch notwendigen Tätigkeit beschäftigt war oder wenn es so viel zu tun gab, dass ich gar nicht wusste, wie ich das alles überhaupt jemals erledigen sollte.

So schön, dass es wehtat

Ich erinnere mich noch genau an den Morgen nach seinem Tod: Ein kalter, klarer Wintertag mit strahlend blauem Himmel. Die Sonne tauchte alles in warmes Licht, Kirchenglocken läuteten und meine Tochter lachte ihr fröhliches Kleinkindlachen. Der Moment war so schön, dass es wehtat – weil mir schmerzlich bewusst wurde, dass mein Freund nie wieder die Sonne auf seiner Haut spüren und ein Kind lachen hören würde.

Vielleicht hat er genau das gemeint, als er vom Genießen sprach: Die Sinne schärfen für all die unerhofften kleinen Freuden und schönen Momente mitten im Alltag. Es gibt sie – man muss sie nur wahrnehmen können. Was zweifelsohne eine Herausforderung ist, wenn die To-do-Liste einfach nicht zu enden scheint. Aber anstatt auf den perfekten Moment fürs Genießen zu warten, mache ich nun manchmal mitten im Trubel eine Pause. Gerne mit den Menschen, die mir wichtig sind – weil niemand weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt.