Tobias Dellit und seine Gitarre. Ein Leben ohne Musik: unvorstellbar für ihn. Und so gibt er weiter Konzerte, in großem und kleinem Rahmen. Manchmal laut, manchmal leise – aber immer mit selbst geschriebenen Texten. Foto: z

Die Liebe hat im Leben Priorität. Das ist das Credo von Tobias Dellit, einem 23-jährigen Musiker aus Birkach. Fast wäre ein Lehrer aus ihm geworden, doch dann kam alles anders. Heute organisiert er Events und spielt Geschichten auf der Gitarre.

Birkach - "Die Mathematik ist das Schönste, was es gibt.“ So singt Tobias Dellit in einem seiner Lieder. „Das ist nicht wirklich so. Dieses Lied war eines meiner ersten. Das habe ich zu unserem Abitur gesungen“, sagt er und lacht. Er nennt das Freiheit: in der Sonne sitzen und Kaffee trinken. Dellit ist 23 Jahre alt, das jüngste von drei Kindern, und er stammt aus Birkach.

Der Bart macht ihn älter

Eigentlich wirkt er älter. „Das macht der Bart“, sagt er und streicht sich über die Haare in seinem Gesicht. Dellit hat ein Germanistikstudium begonnen, denn wollte er Lehrer werden. „Ich hatte eine schöne Schulzeit, und das wollte ich weitergeben“, erklärt der Fast-Pädagoge. „Aber dann habe ich gemerkt, dass nicht jede Schule so toll ist wie meine, und das hat mich entmutigt.“ Heute arbeitet er drei Wochen im Monat bei in einer Firma, die Events organisiert. „Und eine Woche bin ich Musiker. Das kann nicht jeder machen. Meine Kollegen, die eine Familie haben, können sich das nicht erlauben.“

Zum Singen kam der Musiker nicht auf dem klassischen Weg. „Ich musste zu Weihnachten nicht Blockflöte spielen. Meine Eltern sahen das alles locker und ließen mir Freiraum, mich zu entfalten.“ Anfangs wollte Dellit Klavier spielen. Aber er merkte schnell, dass das Piano nicht das richtige Instrument für ihn war. „Das Notenlesen war mein Problem. Ich kam damit nicht klar“, erzählt er und lässt sein Feuerzeug von einer Hand in die andere wandern.

Die Gitarre war ein Glücksfall

„Dann habe ich die Gitarre entdeckt“, sagt Dellit. Sie war für ihn ein Glücksfall. Auf der Gitarre konnte er improvisieren, musste keine Noten lesen können, und er konnte das Instrument überall hin mitnehmen. Das war wichtig, denn Dellit engagiert sich für Jugendliche. Zusammen unternehmen sie Ausflüge; sie sitzen miteinander am Lagerfeuer, und dann spielt Dellit Gitarre und singt dazu. „Das Singen hat sich einfach ergeben. Ich fand es cool.“ Seine Lieder sind textlastig, das ist beabsichtigt. „Ich mag Musik, die anregt. Lustige Popsongs hört man überall. Ich verarbeite meine Gedanken in meinen Liedern.“

Eine CD von ihm heißt „Primat der Liebe“. Mit diesem Titel fordert er als Mensch und Liedermacher, dass die Liebe im Leben Priorität hat. Wirtschaft oder Politik seien zweitrangig. Mit der Gitarre erzählt Dellit Geschichten. Die meisten seiner Lieder sind melancholisch, manchmal traurig und hin und wieder auch philosophisch. Er erzählt von Menschen, die in einem fiktiven Käfig sitzen und sich nicht erreichen können. Oder er singt, was von einer erloschenen Liebe übrig bleibt.

Besonders gern steht Dellit vor Publikum. „Ehrlich gesagt: Ich genieße es, im Mittelpunkt zu sein und mit dem Zuschauern während einem der Konzerte zu sprechen.“ Doch das bedeutet auch Verantwortung. Selbst 15 Leute wollen gut unterhalten werden.

Ein bisschen Do-it-yourself

Bei der Organisation seiner Auftritte hilft Dellit das Feierabendkollektiv. Dabei handelt es sich um ein loses Künstlernetzwerk, bestehend aus sieben Musikern, die gemeinsam auftreten. Die Konzerte sind kostenlos – Spenden aber erwünscht. Am Ende jeder Veranstaltung macht ein Hut die Runde. Die Musiker haben gemeinsam einen Flyer gestaltet, und sie helfen sich, wenn beispielsweise ein Kollege krank ist und beim Konzert nicht spielen kann. Dann springt jemand anderes ein. „Ich mag das Feierabendkollektiv. Es hat einen besonderen Charme, so ein bisschen Do-it-yourself“, sagt Dellit. „Das möchte ich nicht missen.“

Der junge Birkacher hat eine eigene Konzertreihe. Er nennt sie „Tobis Teppich“. Er tritt an verschiedenen Orten im Großraum Stuttgart auf, unter anderem im Zollamt in Bad Cannstatt. „Demnächst werde ich in einem Flüchtlingsheim spielen“, erzählt der Künstler. Auch in Birkach hat Dellit im Oktober einen Auftritt. Den hat sein Vater im Gemeindehaus organisiert. „Ich möchte mich nicht anbieten, nicht versteigern, damit ich auftreten kann.“ Kommerzielle Musikdeals kommen für ihn nicht in Frage.

Dann macht er eben was anderes

Ein Leben ohne Musik kann sich Dellit derzeit nicht vorstellen. „Es kann sein, dass ich irgendwann keine Lust mehr daran habe.“ Und was dann? „Dann mache ich eben etwas anderes.“ Der Musiker mag es nicht, einem vorgeschriebenen Weg zu folgen. Ihm ist es lieber, wenn er heute noch nicht weiß, was morgen kommt. „Ich brauche keine großen Veränderungen. Im Moment bin ich zufrieden“, sagt Dellit.

Er weiß, dass die Zeit von Liedermachern wie zum Beispiel Reinhard Mey vorbei ist. „Wer heute Musiker ist, opfert viel Sicherheit für ein wenig Freiheit. Wer sich das klarmacht, kann auch so gut leben. Mir geht es darum, dass ich den Menschen und mir selbst Freude schenken kann. Dann habe ich einen tollen Tag, und das ist wichtig.“ Und so singt Dellit weiter, egal ob vor zwei Leuten oder vor 20.


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