Gerade an den Feiertagen hat der Verdauungstrakt einiges zu bewältigen... Foto:  

Viele schwören nach Fondue und Braten auf einen Kräuterschnaps – dagegen ist auch nichts einzuwenden, sagt der Experte Thomas Frieling. Doch es gibt bessere Methoden, die bei Sodbrennen und Aufstoßen helfen.

Stuttgart - Herr Frieling, Rülpsen ist verpönt in unserer Gesellschaft – ist es aus Sicht des Mediziners aber auch notwendig?
Rülpsen ist absolut natürlich, ein Reflex, den der Körper vorgesehen hat. Im Magen trifft die Nahrung auf Salzsäure und Enzyme, dabei entsteht Gas – bei jedem Menschen. Es steigt nach oben, weil es leichter ist als die feste Nahrung, liegt unter dem Zwerchfell und kann Völlegefühl erzeugen. Wenn man diese Luft aufstößt, schafft das Erleichterung. Manche Patienten können nach Operationen nicht mehr aufstoßen. Diese Menschen leiden sehr darunter, dass sie ihr Völlegefühl nicht mehr loswerden. Wem die Reaktion peinlich ist, der kann die Luft ja leise und hinter vorgehaltener Hand entweichen lassen.
Wie beeinflusst das Essen die Neigung zum Aufstoßen?
Essen, das viele Ballaststoffe enthält, sowie große Mengen an Nahrung und vor allem fettreiche Speisen verlangsamen die Entleerung des Magens. Insbesondere für die Fettverdauung braucht der Darm mehr Zeit als für andere Nahrungsbestandteile. Je länger Speisen im Verdauungstrakt sind, desto mehr Gas entsteht, das entweichen muss. Dabei kann Magensäure in die Speiseröhre gelangen, es entsteht Sodbrennen.
Aber Ballaststoffe gelten doch gemeinhin als gesund – warum fördern sie Sodbrennen?
Erstens sind sie schwer verdaulich und bleiben lange im Magen, zweitens sorgen sie dafür, dass Substanzen freigesetzt werden, die die Magenentleerung verzögern und die Speiseröhrenmuskulatur erschlaffen lassen. So kann Magensäure in die Speiseröhre gelangen. Das bedeutet aber nicht, dass es ungesund ist, Ballaststoffe zu essen. Aber, wenn man unter Sodbrennen und Aufstoßen leidet, können sie eine Ursache sein.
Fördern kohlensäurehaltige Getränke, Alkohol oder Gewürze nicht auch das Aufstoßen?
Das ist individuell sehr verschieden. Wenn man Sekt oder Sprudelwasser trinkt, hat man vermehrt Gas im Magen. Manche Menschen bekommen davon Probleme, andere nicht. Essen mit viel Knoblauch oder der Genuss von Alkohol wiederum kann zu einer Öffnung des Schließmuskels zwischen Magen und Speiseröhre führen, wodurch es zu vermehrtem Luftaufstoßen kommen kann. Aber auch das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es gibt Patienten, die essen sehr viel Knoblauch und denen geht es gut, und andere nehmen ein Milligramm zu sich und bekommen heftige Beschwerden.
Was empfehlen Sie Menschen, die sehr unter Aufstoßen und Sodbrennen leiden?
Wir lassen unsere Patienten ein Ernährungstagebuch führen. Auf der linken Seite wird notiert, was man isst, rechts davon, wie es einem danach ergangen ist. So kann man ermitteln, welche Nahrung bei einem Patienten Aufstoßen und Sodbrennen hervorruft. Auf dieser Grundlage kann man die Ernährung umstellen, meistens hilft es, statt einer großen mehrere kleinere Mahlzeiten einzunehmen, weniger Ballaststoffe und weniger Fett zu essen – kurz: gesundes mediterranes Essen zu sich zu nehmen.
Angenommen, man hat sich einmal nicht an diese Empfehlung gehalten und etwas zu üppig und fett gegessen – was kann man gegen das Aufstoßen tun?
Viele Menschen lächeln über pflanzliche Arzneimittel, aber ich würde eine Tinktur unter anderem aus Iberis amara, der sogenannten Bitteren Schleifenblume, Kamillenblüten und Kümmelfrüchten nehmen. Wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass das Medikament den Magen im oberen Bereich entspannt, so dass der Druck abnimmt. Im unteren Magen fördert es die Bewegung, wodurch Zerkleinerung und Abtransport der Nahrung gefördert werden.
Meistens treten die Probleme ja erst nach dem Essen auf – hilft ein Kräuterschnaps bei der Verdauung?
Eine recht aktuelle Studie zeigt, dass Alkohol zwar das Völlegefühl nach dem Essen durch Muskelentspannung verbessern kann, die Verdauung und die Magenentleerung aber verzögert. Es kommt also immer auf die richtige Menge an. Man sollte nicht zehn Kräuterliköre trinken. Aber im Einzelfall einen Magenbitter nach dem Essen, wenn man Völlegefühl hat, dagegen spricht nichts.
Hilft trockenes Brot gegen saures Aufstoßen?
Das kann einen positiven Effekt haben, genau wie alles andere, was die Säure bindet – zum Beispiel Kartoffelpüree ohne Fett. Hierbei ist anzumerken, dass die wohltuenden Wirkungen unterschiedlicher säureneutralisierender Maßnahmen sehr subjektiv empfunden werden. Jeder muss also ausprobieren, auf welche Maßnahme er am besten anspricht.
Hilft es, einen Protonenpumpenhemmer einzunehmen, wenn man das Gefühl hat, dass der Magen übermäßig voll ist?
Protonenpumpenhemmer können bei saurem Rückfluss nach dem Essen hilfreich sein. Hierbei wirken sie nicht schnell und sind für die akute Behandlung eher nicht geeignet. Am besten wirken Protonenpumpenhemmer, wenn man sie vor dem Essen einnimmt. Es gibt Menschen, die nehmen vorbeugend einen Säurehemmer ein, weil sie gemerkt haben, dass das ihnen das saure Aufstoßen nach dem Essen erspart. Allerdings ist die Wirkung individuell verschieden, manche Menschen bekommen von den Protonenpumpenhemmern auch Verdauungsprobleme. Diese Medikamente sollten auf keinen Fall ohne ärztliche Verschreibung dauerhaft eingenommen werden, weil sie viele Nebenwirkungen haben können.