Auch Kinder müssen ihre Zähne richtig putzen. Foto: Fotolia

Zehn Prozent der Kleinkinder leiden unter Karies. Daran ist aber nicht nur die Putzfaulheit schuld, sondern die Trinkgewohnheiten der Kinder, sagt der Experte Johannes Einwag. Der Zahnarzt erklärt, wie Eltern Karies vorbeugen und das Putzen zum Ritual machen können.

Zehn Prozent der Kleinkinder leiden unter Karies. Daran ist aber nicht nur die Putzfaulheit schuld, sondern die Trinkgewohnheiten der Kinder, sagt der Experte Johannes Einwag. Der Zahnarzt erklärt, wie Eltern Karies vorbeugen und das Putzen zum Ritual machen können.

Stuttgart - Es muss wieder mehr geputzt und gegurgelt werden in den Badezimmern der Nation, fordert die Bundeszahnärztekammer (BZK). Die Zahnärzte sehen in puncto Zahnhygiene bei Kleinkindern zu viel schwarz: So wird in ihrem neuen Zahnreport der BZK von Anfang Februar Karies als die häufigste chronische Erkrankung bei Vorschulkindern bezeichnet. Während Schulkinder nur noch selten kariöse Zähne haben, steigen die Kariesfälle bei Kindern im Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren. Schon bei Zwei- und Dreijährigen müssen Milchzähne gezogen oder Wurzeln gefüllt werden.

Doch fragt man bei den niedergelassenen Zahnärzten nach, ist es nicht unbedingt die Putzfaulheit, die den kleinen Kindern die Milchzähne verfärbt und verkümmern lässt. „Das Problem ist die zu große Fürsorge der Eltern“, sagt Johannes Einwag. Der Stuttgarter ist nicht nur niedergelassener Zahnarzt, sondern auch Direktor des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart (ZFZ) und Vorsitzender der Gesellschaft für Präventive Zahnheilkunde. Seit mehr als 30 Jahren schaut er in weit aufgerissene Kindermünder. Und regelmäßig sieht er bei jedem zehnten Kleinkind Karies – meist an einer bestimmten Stelle: an der Rückseite der oberen Frontzähne.

Experten haben für dieses Phänomen einen Namen: Nuckelflaschenkaries. „Die Trinkfläschchen aus Plastik sind in den vergangenen 20 Jahren zu einem ständigen Begleiter von Kleinkindern geworden“, sagt Einwag. Meist sind sie gefüllt mit Milch oder gesüßten Tees.

Wobei der Inhalt des Fläschchens nicht unbedingt das Problem ist. „Zucker allein greift den Zahn nicht an“, sagt Einwag. Es sind die Bakterien im Mund, die den Zucker verwerten und als Stoffwechselprodukt Milchsäure ausscheiden. Diese Säure löst den Kalk aus dem Zahnschmelz, der dadurch porös wird. Das ist eigentlich ein normaler Prozess. Er wird ausgeglichen durch das Fluorid im Speichel. „Das Problem beginnt aber dann, wenn der Speichel nicht genug Zeit bekommt, die zerstörerische Arbeit der Milchsäure zu reparieren“, sagt der Zahnarzt Einwag. Etwa, wenn dem Baby abends das Fläschchen zum Einschlafen in die Wiege gelegt wird. Denn beim Schlafen produziert der Körper so wenig Spucke wie sonst zu keinem Zeitpunkt. „Die Bakterien können also in aller Ruhe den Zucker in Milchsäure umwandeln.“ Hinzu kommt die Zufuhr: Aufgrund des kieferorthopädisch geformten Saugers trifft die Flüssigkeit beim Trinken genau auf die Rückseite der oberen Schneidezähne. Alles zusammen nagt im Lauf der Zeit am Zahn. Und das egal bei welchem Kind, wie Einwag betont.

Die wichtigste Regel für die Zahnpflege bei Kleinkindern lautet also: nachts die Flasche weg. Außerdem sollten Eltern ihre Kinder schon früh an Zahnbürste und Zahnpasta gewöhnen. „Schon Babys müssen mitbekommen, dass abends vor dem Schlafengehen im Mund herumgefummelt wird“, sagt Johannes Einwag.

Zähneputzen muss zum Ritual werden – und das in einem Alter, in dem die Kinder noch gar keine Zähne haben, etwa ab dem sechsten Lebensmonat. „Dann kann man schon abends auf der Wickelkommode das Baby an einer Kinderzahnbürste nuckeln lassen“, sagt Einwag. Oder an einem Kautrainer. „Wichtig ist, dass die Eltern das Putzen mit etwas Positivem verbinden.“ Das Kind etwa beim Putzen anstrahlen.

Beginnt die Zahnpflege erst dann, wenn der erste Milchzahn durchbricht und dem Kind der Kiefer schmerzt, wird es umso schwieriger, es an das Putzen zu gewöhnen. Je nachdem wie stark die Kinder zahnen, rät Einwag dazu, die schon sichtbaren Zähne mit einem Stück Mullbinde zu säubern.

Generell sollten Eltern so lange wie möglich Hand anlegen: „Viele sind stolz, dass ihr Kind schon so früh alleine putzen kann“, sagt Einwag. Aber die Kinder putzen nicht richtig, „sondern nur das, was sie sehen“. Daher sollten Eltern bis zum zweiten Schuljahr die Zähne ihrer Kinder nachputzen. Vorschulkinder dürfen auch schon morgens alleine zur Zahnbürste greifen. Abends sollten die Eltern aber wieder mithelfen, sagt Einwag.

Trotzphasen – in denen der Mund der Kinder beim Anblick der Zahnbürste verschlossen bleibt – wird es dennoch geben. Kinderzahnärzte raten dazu, Geschichten zu erzählen und das Kind damit ein bisschen abzulenken. Wenn alles nichts nützt, sollten die Eltern nicht aufgeben: Je häufiger Kinder mit ihrer Verweigerungshaltung durchkommen, desto häufiger versuchen sie es auch.

Letztlich ist es wichtig, dass die Eltern den Kindern ein Vorbild sind – und morgens und abends selbst gründlich die Zähne putzen, sagt Einwag. „Dann wird es auch für die Kinder selbstverständlich.“

Weitere Infos zur frühkindlichen Zahnpflege gibt es bei der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, www.lzk-bw.de. Diese ist auch telefonisch zu erreichen: 07 11 / 22 84 50.