Das Khudi Bari – Kleines Haus – von Marina Tabassum bereichert die Architektur in Weil am Rhein. Foto: Julien Lanoo/Vitra

Die Architektin Marina Tabassum hat mit dem Khudi Bari ein kleines Haus entworfen, das wie eine Fachwerkhütte auf Stelzen ausschaut. Es ist leicht transportabel und bereichert den Vitra Campus in Weil am Rhein. Für wen ist das Haus gemacht und woran erinnert es?

Minimalismus ist ein Glücksversprechen. Wenn man sich nur des zu vielen Besitzes entledige, gehe man leichter, froher durchs Leben, heißt es. Manche Menschen leben also heute freiwillig auf wenig Platz, besitzen wenige Dinge. Tiny House Vereine gründen sich landauf, landab, um sich über das Leben in Minihäusern auszutauschen, einander beim Finden der vor allem in Städten raren Restgrundstücken zu helfen.

Ein Tiny House in Weil am Rhein

In anderen Ländern gibt es auch Tiny Houses, die allerdings nicht aus der freiwilligen Lust am Verzicht entstehen, sondern als Notbehelf. In Bangladesch etwa häufen sich als Folge klimatischer Veränderungen Überschwemmungen, die Menschen zwingen, ein neues Zuhause zu suchen. Für derlei Katastrophen haben die vielfach ausgezeichnete Architektin Marina Tabassum aus Bangladesch und ihr Team ein Minihaus entworfen, genannt „Khudi Bari – Kleines Haus“.

Die Architektin Marina Tabassum in Weil am Rhein, im Hintergrund das Kleine Haus „Khudi Bari“. Foto: Vitra/Dejan Jovanovic

Das Haus ist ein kostengünstiges Gebäude mit einem blechgedeckten Giebeldach, das von den Bewohnern selbst errichtet werden kann. Es besteht aus einer Bambus-Struktur, deren Ecken mit Stahlknotenpunkten verbunden werden. Diese Knotenpunkte legen die Geometrie des Hauses fest. Das kleinere der beiden Quadrate ist als Fundament im Boden eingegraben und versteift die Konstruktion. Das obere, größere bildet eine erhöhte Plattform für das Haus. Sobald die Struktur aufgebaut ist, kann mit stabilen Platten oder leichten Wänden ein Wohnraum geschaffen werden.

Das erhöhte Wohngeschoss bietet den Bewohnerinnen und Bewohnern bei plötzlichen Überschwemmungen einen sicheren Ort – und wenn das Ackerland verschwinden sollte, kann das Khudi Bari zerlegt, transportiert und an einem anderen Ort wiederaufgebaut werden. Eines dieser Häuser wurde jetzt in Weil am Rhein errichtet.

Es schaut auf den ersten Blick aus wie ein Fachwerkhaus auf Stelzen, passt also auch ganz gut in den Süden Baden-Württembergs an den Rande des Schwarzwaldes, wo es nun auch steht, auf dem Gelände des Vitra Design Museums.

Das Team von Marina Tabassum, so informiert Vitra, habe die Häuser zusammen mit Hilfsorganisationen und Gemeindegruppen in Bangladesch aufgebaut „und damit „bessere Lebensbedingungen für eine Bevölkerungsgruppe, die am absoluten Existenzminimum lebt, geschaffen. Es wurden bereits über einhundert Khudi Bari aufgestellt und weitere sollen folgen.“

In Weil am Rhein steht das Khudi Bari zu Besichtigungszwecken für Architekturinteressierte in dem Staudengarten des bekannten niederländischen Gestalters Piet Oudolf. Er erinnert daran, dass auch hierzulande der Klimawandel anderes, ökologischeres Bauen fordert – das darf dann wie bei diesem kleinen Haus mit gestalterischem Anspruch sein. Ein Besuch lohnt.

Info

Architektin
Marina Tabassum studierte Architektur in Bangladesch. Ihr Debütprojekt war das Independence Memorial and Museum, ein symbolisches Gebäude, das 1995 in Partnerschaft mit Urbana entworfen wurde und den Unabhängigkeitskampf des Landes würdigt. 2005 gründete sie in Dhaka ihr eigenes Architekturbüro unter dem Namen MTA Architects, 2016 erhielt sie den Aga-Khan-Preis für die Bait-Ur-Rouf-Moschee. Für das zwischen 2011 und 2018 entworfene Panigram Resort arbeitete Tabassum mit ländlichen Gemeinden in Bangladesch zusammen und war an Gemeindeprojekten beteiligt, bei denen Architektur die Regionalentwicklung vorantreibt. Sie hat an Architektenschulen auf verschiedenen Kontinenten unterrichtet, von Harvard bis Toronto, von Yale bis Delft, wo sie aktuell eine Professur innehat.

Auszeichnungen
Marina Tabassums Arbeit wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Arnold Brunner Memorial Prize der American Academy of Arts and Letters, der Goldmedaille der französischen Akademie für Architektur, dem Lifetime Achievement Award der Architekturtriennale von Lissabon, einem Ehrendoktortitel der Technischen Universität München und der Soane-Medaille für Architektur in Grossbritannien.

Vitra
Das Khudi Bari befindet sich am Ende des Oudolf Gartens und kann zu den regulären Öffnungszeiten des Vitra Campus täglich von 10-18 Uhr besichtigt werdenbesichtigt werden.