Menschen protestieren gegen Tierversuche am Max-Planck-Institut. Foto: dpa

Im Interview verteidigt Holger Fischer vom Max-Planck-Institut in Tübingen die Hirnforschung an Affen. Tierschützer, darunter Ärzte gegen Tierversuche, haben Strafanzeige gestellt. Die Forscher scheinen unbeeindruckt zu sein.

Stuttgart - Herr Fischer, was soll mit den Versuchen in Ihrem Institut erreicht werden?
Wir erhoffen uns, Einblicke in die Netzwerkaktivität des Gehirns zu erhalten. Wir wollen verstehen, wie das Netzwerk von Milliarden Nervenzellen im Gehirn funktioniert.
Die Tiere bekommen Implantate ins Gehirn eingesetzt und werden für die Experimente in Stühlen fixiert. Zudem leiden sie Durst: Flüssigkeit erhalten sie im Versuch nur zur Belohnung. Das klingt sehr belastend für die Tiere.
Wenn die Implantate eingeheilt sind, verursachen sie keine Schmerzen mehr. Am Anfang erhalten die Tiere selbstverständlich Schmerzmittel. Es ist wichtig, dass sie nicht leiden, denn wir wollen mit ihnen arbeiten. An die Stühle werden die Affen langsam gewöhnt. Die Tiere lernen, ihren Bedarf an Flüssigkeit im Experiment zu decken. Wenn keine Versuche stattfinden, haben sie ganz normal Zugang zu Wasser.
Auf Bildern, die dem Fotografen zufolge aus Ihrem Institut stammen, sieht man blutende und speichelnde Tiere, denen es offenbar nicht gut geht – täuscht der Eindruck?
Ja, das täuscht. Wenn ich unten in unserem Tierstall bin, sehe ich solche Bilder nicht. Wie diese Aufnahmen zustande gekommen sind, kann ich nicht sagen.
Kann man das Gehirn nicht auch mit bildgebenden Verfahren wie etwa Magnetresonanztomografie am Menschen untersuchen?
Wir brauchen die invasiven Methoden, das heißt die Elektroden direkt im Gehirn, um einen Zusammenhang zwischen der tatsächlichen neuronalen Aktivität und dem Bild, das die funktionelle Magnetresonanztomografie zeigt, herstellen und beides miteinander verknüpfen zu können. Das geht nur mit Gehirnen von Affen, weil die dem Hirn des Menschen am ähnlichsten sind. Am Menschen selbst ist solche Forschung lediglich sehr eingeschränkt möglich.
Tierschützer werfen Ihnen vor, nur Ihre Neugier befriedigen zu wollen, und verneinen einen konkreten Nutzen Ihrer Forschung.
Neugier ist ein wichtiger Bestandteil eines Forschers, sonst würde er gar nicht forschen. Was wir hier betreiben, bringt direkten Nutzen für die medizinische Anwendung im Bereich der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Unsere Grundlagenforschung, die wir 2001 veröffentlicht haben, hat zum Beispiel dazu beigetragen, dass Mediziner fMRT-Bilder interpretieren können. Heute forschen wir an Methoden, wie wir tiefere Hirnareale untersuchen können. Da geht es zum Beispiel auch darum, wie wir lernen und Gedächtnis bilden.
Was bringt das den Menschen konkret?
Das ist wichtig, um Lernstörungen zu verstehen. Wir betreiben hier Grundlagenforschung und sind nicht direkt mit der Aufklärung einer bestimmten Krankheit befasst. Auf Basis unserer Erkenntnisse kann die klinische Forschung ihre Arbeit aufnehmen.
Inwiefern verbessert die gestiegene Zahl der Tierpfleger die Situation der Tiere?
Die Erhöhung der Tierpfleger war schon lange geplant, weil wir unsere Tiere noch besser trainieren wollen. Sie sollen freiwillig in den Primatenstuhl einsteigen.
Es gibt Bilder, auf denen ein Affe in den Stuhl gezwungen wurde.
Das war ein ganz untrainiertes Tier, das noch nicht wusste, was auf es zukommt. Vermutlich sind solche Aufnahmen auch manipuliert, etwa weil der Affe durch den Kameramann gestresst war.
Wie lange wird mit einem einzelnen Tier geforscht?
Das kann schon fünf bis sechs Jahre gehen, wenn ein Tier gut trainiert ist und es ihm gut geht. Wir setzen alles daran, dass dem so ist. Dann kann man einen Affen auch für viele Experimente nutzen.
Was passiert danach mit den Affen?
Es kann sein, dass wir das Tier einem Terminalversuch zuführen und in das Gehirn des Affen hineinschauen.
Er wird also getötet?
Ja, er wird eingeschläfert und dann schauen wir das Gehirn an. Die ganzen Prozeduren sind vom Regierungspräsidium festgelegt. Es gibt aber auch Tiere, die hier ihren Lebensabend verbringen.
Werden die Versuche in Zukunft noch weiter ausgebaut?
Es ist unser Bestreben, die Haltungsbedingungen zu verbessern. Derzeit bauen wir Freigehege. Wir erweitern die Räumlichkeiten, damit die Tiere mehr Platz haben. Wenn es die wissenschaftliche Fragestellung erfordert, kann es sein, dass wir Versuche mit weiteren Affen genehmigen lassen.
Gegen den Leiter der Arbeitsgruppe haben Tierschützer Strafanzeige gestellt wegen Tierquälerei und Tiertötung – wie beurteilen Sie dies?
Da ist die Staatsanwaltschaft gefordert zu prüfen, was da dran ist. Deshalb bitte ich darum, abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft dem Bedeutung zumisst. Das Regierungspräsidium hat festgestellt, dass alle von uns durchgeführten Untersuchungen ordnungsgemäß erfolgt sind. Es gibt keine Hinweise darauf, dass etwas schiefgelaufen ist.
Sind Sie wegen der Anzeige besorgt?
Nein.