Auf dem Versuchsbauernhof der Universität leben sechs Kühe mit einem Loch im Körper. Die sogenannte Fistel soll den Wissenschaftlern Erkenntnisse liefern – unter anderem zum Ausstoß des klimaschädlichen Methangases.
Hohenheim - Die Kühe sind zweifelsohne ein Hingucker. An ihrem Bauch befindet sich etwas, das da nicht hingehört: ein Loch, das mit einem Schraubverschluss versehen ist. Im Wissenschaftsjargon handelt es sich um eine Fistel, durch die Forscher Zugang zum Pansen, einem der Mägen des Milchviehs, haben.
An der Uni Hohenheim leben aktuell sechs solcher gefistelten Kühe. Der Fachbereich für Tierernährung sammelt so verschiedene Erkenntnisse: etwa zur Protein- und Phosphorversorgung der Tiere, aber auch zur Bildung von Methangas, wie der Hohenheimer Professor Markus Rodehutscord erklärt.
Das Problem seien nicht die Rinder
Gerade letzteres Thema hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen im öffentlichen Diskurs. In Zeiten, in denen rege über das Treibhausgas CO2 debattiert wird, ist es zum Methan nicht weit. Denn es gilt als weitaus schädlicher fürs Klima. Um die verschiedenen Treibhausgase mit ihrer Klimawirksamkeit miteinander vergleichbar zu machen, wird in sogenannten CO2-Äquivalenten gerechnet. Eine Milchkuh produziert demnach laut Rodehutscord rund 3,6 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr.
Auch wenn Kühe und Rinder wegen ihres Ausstoßes zunehmend in die Kritik geraten, ist Rodehutscord wichtig, die Sache im Verhältnis zu sehen. „Das Problem sind nicht die Rinder, sondern das Verbrennen von fossilen Energien“, sagt der Hohenheimer Professor. Und freilich auch die Tatsache, dass die Rinderherden wegen des globalen Fleischhungers wachsen und für ihre Weiden Wälder abgeholzt werden. „Es ist für meinen Geschmack manchmal zu kurz gegriffen, wenn man die Wiederkäuer als Klimakiller hinstellt.“ Trotzdem tüfteln die Hohenheimer seit Jahren an der Frage, ob sich der Methangas-Ausstoß etwa über eine Art Ernährungsumstellung verringern ließe. Das wäre laut Markus Rodehutscord nicht nur besser fürs Klima, sondern auch für die Kuh. Denn: „Der Methangasausstoß ist auch ein Energieverlust für das Tier.“
In so ein komplexes System könne man nicht einfach so eingreifen
Mikroorganismen im Pansen der Kuh sind dafür verantwortlich, dass in der Kuh aus dem aufgenommenen Grünfutter hochwertige Lebensmittel wie Milch und Fleisch entstünden. Die Tiere würden Pflanzen und Grünlandfutter veredeln. Das seien komplexe Stoffwechselprozesse, und deren Abfallprodukt ist Methan. „In so ein System kann man nicht einfach eingreifen“, sagt der Forscher. In der Vergangenheit habe man versucht, dem Tierfutter beispielsweise Tanine, Saponine oder Kastanienextrakte beizumischen und so die Mikroorganismen zu beeinflussen. „Das sah zunächst vielversprechend aus“, sagt Rodehutscord. Allerdings nur bei Versuchen in Gefäßen, also außerhalb der Kuh. So konnte das Methan um 15 bis 20 Prozent reduziert werden.
Im Kuhkörper stellten sich die Effekte dann allerdings als weitaus geringer heraus. „Die Mikroorganismen passen sich offensichtlich an.“ Seit zwei, drei Jahren liefen nun Versuche mit Seetang vor. „Damit kann man offensichtlich Erhebliches erreichen.“ Bisher aber nicht im direkten Tierversuch, daher müsse man abwarten. Rodehutscord sagt, er gehöre nicht zu den Enthusiasten bezüglich dieser Frage. Denn klar sei, dass das Methan nicht von ungefähr gebildet würde. „Das mikrobielle Gleichgewicht hat seine Historie und seinen Grund.“
Die Versuche mit den Fistel-Kühen laufen in Hohenheim bereits seit Jahrzehnten. Von Tierschützern kassieren die Forscher immer wieder Kritik. So schreibt die Tierrechtsorganisation Peta beispielsweise auf ihrer Internetseite dazu: Kühe wollen „kein Loch in den Bauch geritzt bekommen, durch welches wir in ihrem Magen wühlen können“.
Die Tiere seien nicht zu unterscheiden von anderen in der Herde
Der Professor Markus Rodehutscord reagiert auf derlei Äußerungen gelassen. „Ich verstehe gut, dass das hinterfragt wird“, sagt er. Doch er könne versichern, dass es den Tieren gut gehe. „Sie sind nicht zu unterscheiden von anderen Tieren in der Herde.“ Das älteste Tier mit Fistel sei 17 Jahre alt geworden, die Kühe bekämen zudem auch Kälbchen und geben Milch, wie er sagt. Die Hohenheimer Forscher gingen absichtlich sehr offen mit dem Thema um, würden immer wieder auch die Öffentlichkeit zu sich einladen und alles erklären.
Die Fistel würde täglich von den Tierpflegern kontrolliert und geputzt. Dass die Forscher zu Versuchszwecken durch die Öffnung in den Kuhmagen fassen, komme indessen nicht täglich vor. Das mache man mal mehr, mal weniger, sagt Markus Rodehutscord. Dann würden beispielsweise auf diesem Wege verschiedene Futtermittel hineingegeben, oder es werde ein halber Liter Pansenflüssigkeit entnommen, um diese hinterher im Labor genauer unter die Lupe zu nehmen.