In Hohenheim leben Kühe mit Fistel. Jana Seifert forscht an ihnen, Thomas Kufer arbeitet mit Labormäusen. Foto: Frank Wahlenmaier

Wie viele wissenschaftliche Institutionen kommt die Universität Hohenheim nicht um Tierversuche herum. Sie hat nun als Erstunterzeichnerin eine Initiative für mehr Transparenz unterschrieben.

Hohenheim - Bei dem Wort Tierversuche hat man nicht selten Bilder von Affen mit einer Metallsonde auf dem Kopf vor Augen, die in engen Stahlkäfigen gehalten werden. Das ist nicht gerade ungewöhnlich, da in der Vergangenheit öfters geheim gefilmte Aufnahmen von solchen sterilen Laboren an die Öffentlichkeit gerieten, die genau solche Bilder zeigen. Szenen, die für eine Gesellschaft verstörend wirken können, dabei helfen die Experimente dem Menschen auch weiter. Erst jüngst haben derlei Forschungen einen Wirkstoff gegen das Coronavirus entwickelt.

Auch an der Universität in Hohenheim wird an und mit Tieren geforscht, wenn auch nicht an Affen. Hier weiß man um das moralisch kontroverse Thema und setzt auf Transparenz, um mit dem Stigma aufzuräumen und aufzuklären.

Für transparente Tierversuche unterschrieben

Erst jüngst hat die Uni Hohenheim dafür als Erstunterzeichnerin die Erklärung der bundesweiten Initiative „Transparente Tierversuche“ unterschrieben. Dadurch bekräftigt die Hochschule ihre bereits im Jahr 2017 eigens gesetzten Leitlinien, die beispielsweise vorsehen, Tierversuche, wenn möglich, durch andere Technologien wie Computersimulationen zu ersetzen, dadurch zu reduzieren und zu optimieren. „Wir wollen hier keine Tierversuche verstecken oder verschleiern“, sagt die Professorin Jana Seifert, Wissenschaftlerin für funktionelle Mikrobiologie.

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Das könnte sie auch gar nicht, denn die Kühe, Schafe und Schweine, mit denen sie arbeitet, werden nicht hinter verschlossenen Türen in Laboren gehalten. Auf dem Bauernhof der Universität mit knapp einem Hektar Weidefläche leben sie hier ein fast normales Leben. Den Studierenden und selbst normalen Spaziergängern ist es möglich, einen Blick auf das Gelände zu erhaschen. Eine am Zaun angebrachte Tafel informiert über die Tierversuche, die hier durchgeführt werden.

Kühe mit Fistel und Drehverschluss

Die Weidetiere dienen dem Institut für Nutztierwissenschaften „für eine tierschutzkonforme und ressourceneffiziente Produktion von tierischen Lebensmitteln“, sagt Jana Seifert. Hierfür wurde beispielsweise den Kühen an der Flanke operativ eine Fistel mit Drehverschluss angebracht. Durch diesen einmaligen Eingriff würde man verhindern, dass den Kühen mehrmals täglich über eine unangenehme Schlundsonde Proben entnommen werden, was sich belastend auf das Tier auswirken kann.

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„Dadurch, dass wir einen direkten Zugang zu dem Magen haben, wissen wir, wie die zugeführten Futtermittel umgesetzt werden“, sagt Seifert. Die aus dem Labor gewonnen Erkenntnisse würden dann im Endeffekt landwirtschaftlichen Betrieben zugute kommen. Wenn die Fistelkühe ihre Arbeit getan haben und in Rente gehen, dürfen sie ihren Lebensabend auf dem Gehöft verbringen. „Die Tiere werden hier also nicht getötet“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Wir nutzen sie dann beispielsweise noch für die Lehre der Studierenden der Agrarwissenschaften.“ Die älteste Fistelkuh auf dem Gelände ist bereits stolze 18 Jahre alt. Zum Vergleich: Eine typische Milchkuh wird nach fünf Jahren geschlachtet.

Auch Versuchsmäuse gibt es in Stuttgart-Hohenheim

So idyllisch und romantisch das alles klingen mag, das klassische Bild von Labormäusen gibt es auch hier und das im wahren Wortsinn. Der Immunologe Professor Thomas Kufer ist dabei, ein Problem zu lösen, welches viele Deutsche betrifft – nämlich die Fettleibigkeit. „Wir füttern unsere Mäuse mit nahrhaften Pellets, damit sie sich quasi eine sogenannte Fettleber anessen“, sagt er. Wer das als grauenvoll empfinde, müsse verstehen, dass das über die Hälfte der deutschen Bevölkerung freiwillig mache. Schmerzen haben die Mäuse dabei nicht, „denn sonst hätten wir auch nicht die hohe Anzahl an Menschen, die ein starkes Übergewicht haben“, gibt der Immunologe zu bedenken.

Den Mäusen werde quasi jeden Tag ein Festmahl geboten, welches sie dankend annehmen. Man muss dem Wissenschaftler Glauben schenken, denn die Räumlichkeiten, in denen das passiert, sind nicht so frei zugänglich wie der Bauernhof. „Dies passiert aber zum Schutz der Tiere, da sie eine keimfreie Umgebung erfahren“, sagt Thomas Kufer. Jede Kontaminierung von außen könne demnach für sie und die Forschung gefährlich werden.

Trotzdem wird hier transparent kommuniziert und nichts beschönigt, denn die Mäuse werden irgendwann euthanasiert und seziert. Nur so kommen die Forscher an die Ergebnisse, die sie brauchen. „In drei Jahren sterben hier ungefähr 100 Mäuse im Namen der Wissenschaft“, sagt Thomas Kufer. Ob das nun viele oder wenige seien, müsse jeder selbst entscheiden. Es gehöre einfach zur Wissenschaft dazu.