Der sogenannte Katzenknast ist umstritten (Symbolbild). Foto: dpaMarcus Brandt/D. Occhiato

Die bundesweit einmalige Ausgangssperre für Katzen in Walldorf bleibt umstritten. Artenschutz könne unbequem sein, sagen die Behörden.

Whisky ahnt nichts davon, dass die Tage der Freiheit gezählt sind. Für den Kater und andere Katzen im Süden von Walldorf beginnt in zwei Wochen wieder der Lockdown. Bis Ende August müssen laut einer Allgemeinverfügung des Landratsamts Rhein-Neckar alle Freigängerkatzen im Bereich des Walldorfer Neubaugebiets zu Hause bleiben. Nur so lasse sich die Population der Haubenlerche retten, sagt die Karlsruher Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder. „Bei Gorillas sind wir alle dafür. Jetzt wird hier der Artenschutz konkret.“ Da könne er auch unbequem werden, verteidigte die CDU-Politikerin bei einem Pressetermin in Walldorf die Maßnahme.

Der sogenannte Katzenknast, der im vergangenen Jahr unter deutschlandweiter Beachtung erstmals verhängt worden war, bleibt jedoch umstritten. „Die Verfügung ist irrwitzig, kurzsichtig und löst das eigentliche Problem nicht“, heißt es in einem Brief des Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes Thomas Schröder an das baden-württembergische Umweltministerium. Jahrelang sei der heimischen und früher überaus häufigen Haubenlerche der Lebensraum entzogen worden. „Nun müssen Katzen das Versagen des Menschen ausbaden.“

Für Katzen eine leichte Beute

Walldorf sei dafür ein gutes Beispiel, erklärte Martina Klausmann vom Landestierschutzverband. Die 16 000-Einwohner-Stadt ist Stammsitz des Softwareunternehmens SAP und hatte ein Neubaugebiet ausgewiesen, wohl wissend, dass es sich um ein Brutgebiet der Haubenlerche handelte. Das angebotene Ausweichrevier nahm der kleine Singvogel nicht an. Stattdessen schrumpfte die Population zuletzt auf zwei Brutpaare. In der Ausgangssperre für die Katzen sahen die Naturschutzbehörden die einzige Möglichkeit, die Art zu stabilisieren. Im Alter von 15 bis 30 Tagen unternehmen die Küken des Bodenbrüters erste Flugversuche. Dabei sind sie aus Sicht der Fachleute für Katzen eine leichte und zudem unterhaltsame Beute.

Für an Freigang gewöhnte Katzen sei der Hausarrest allerdings extrem hart, sagte Klausmann. Die Tiere kletterten die Wände hoch, würden aggressiv und zerrissen Möbel und Vorhänge. Auch die Vorschläge, die Katzen an der Leine auszuführen oder mit einem Tracker auszustatten, der bei Betreten der verbotenen Zonen Alarm gebe, seien weltfremd. „Das hat jemand entworfen, der sich für Katzen nicht interessiert“, sagte Klausmann. „Es gibt bereits Familien, die deswegen bereits fortziehen.“ 43 Katzenhalter hatten Einspruch gegen die Allgemeinverfügung erhoben, vier Einsprüche wurden zurückgezogen, die übrigen abgewiesen. Eine Klage ist mittlerweile anhängig.

Derweil wurde das Gutachterbüro, das mit dem Monitoring in dem Gebiet beauftragt war und den Katzenlockdown angestoßen hatte, von der Stadt Walldorf ausgetauscht. Dies sei auf Wunsch des Büros geschehen, sagte der Bürgermeister Matthias Rentschler (FDP) und deutete an, dass sich die Mitarbeiter zuletzt zu sehr in der Schusslinie gefühlt hätten. Den weiteren Fortgang soll jetzt das erfahrene Institut für Umweltstudien aus Heidelberg begleiten.

Wie entscheidet das Verwaltungsgericht?

Auch wenn es sich früher um einen Allerweltsvogel gehandelt habe und es zahlreiche Publikationen gebe, müsse man noch viel über die Haubenlerche lernen, sagte der Institutsleiter Andreas Ness. Das Problem: „Sie beobachtet uns genauer als wir sie.“ Vor den Augen des Biologen verhalte sie sich dann oft nicht artgemäß. Mindestens fünf Haubenlerchen habe er aber im Brutgebiet gesehen, darunter auch wieder zwei Brutpaare.

Damit wäre man allerdings nicht weiter als im vergangenen Jahr. Damals waren acht Jungvögel flügge geworden, was als großer Erfolg gesehen wurde. Dass diese Tiere sich momentan im Brutgebiet nicht zeigten, sei nicht verwunderlich, sagte Ness. „Wie wir heute wissen, brüten Haubenlerchen erst ab dem dritten Jahr.“ Auch deshalb dürfte es noch länger eine sommerliche Ausgangssperre für Katzen geben. Die Allgemeinverfügung gilt bis 2024 – vorausgesetzt sie wird nicht vom Verwaltungsgericht gekippt.