Die acht Laufenten patrouillieren im Watschelschritt durch die Gärtnerei Liehr, um die Pflanzen von Ungeziefer zu befreien. Foto: Ines Rudel

Fast jeder aus und um Nürtingen-Zizishausen im Kreis Esslingen dürfte die Laufenten der Gärtnerei Liehr kennen. Sie ziehen frei umher und erfüllen gewissenhaft ihre wichtige Aufgabe: Sie sind Schädlingsvernichter.

„An dem Löckchen am Bürzel erkennt man die Männchen“, erklärt Friedemann Hieber, Geschäftsinhaber der Gärtnerei Liehr, wie man seine kleinen Kollegen unterscheiden kann. In seinem Betrieb in Nürtingen-Zizishausen leben und arbeiten acht Indische Laufenten als Kammerjäger.

 

„Sie sehen einfach lustig aus“

Die aus Ostasien stammenden Wasservögel werden bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa gehalten. Ein Training brauchen sie für ihre Arbeit nicht. Sie machen einfach das, was sie am besten können: fressen. In einem kleinen blau-weißen Haus, das in einem beheizten Gewächshaus steht, leben sie. Auf der steten Suche nach Käfer, Schnecken und Larven wandern sie jeden Tag frei über das Gelände der Gärtnerei. Mit ihrer Vorliebe für alles, was kriecht und kreucht, helfen sie nebenbei, die Umwelt zu schützen. Durch ihren Einsatz kann und muss in der Gärtnerei auf Schneckengift verzichtet werden. „Das Schneckenkorn würde natürlich auch den Vögeln schaden, die die vergifteten Schnecken fressen würden“, erklärt Hieber.

Neben ihrer praktischen Arbeit als Insekten- und Molluskenvernichter sind die Enten auch als Werbegesichter ihres Betriebs unterwegs. „Die Leute kommen gerne vorbei und schauen sich die Enten an“, erzählt Friedemann Hieber. „Die sehen auch einfach lustig aus, wenn sie rumwatscheln.“ Nur Anfassen geht nicht. Menschenscheu sind sie zwar nicht, aber wenn man ihnen zu nahe kommt, laufen sie unter schnatterndem Protest gemächlich davon.

Die Enten und der Verkehr

„Wenn in der Gärtnerei mal wenig los ist, sitzen sie gerne in dem nahe gelegenen Straßengraben und schauen dem vorbeiziehenden Verkehr zu“, sagt ihr Halter. „Es ist schon ein Problem, dass sie keine Angst vor Autos haben.“ Wobei er versichert, dass sie nicht auf die Straße laufen, sondern eher am Wasser im Graben interessiert sind:„Überfahren wurde noch keine.“

Vor fünf Jahren gelangten seine gefiederten Helfer wegen dieser Gewohnheit zu ungewollter Popularität. Das Nürtinger Ordnungsamt schaltete sich ein und verlangte, dass die Enten zukünftig aus Sicherheitsgründen eingesperrt werden müssen. Der Vorwurf: Gefährdung des Straßenverkehrs. Hieber hielt daraufhin Rücksprache mit seiner Versicherung. Die habe ihm bestätigt, dass es rechtens sei, dass er seine Enten frei laufen ließe. Er veröffentlichte sein Dilemma auf Facebook, und das Thema ging viral. Etliche Reporter kamen, um mit ihm zu sprechen. Sogar ein kurzer Ausschnitt in der „Landesschau“ sei den Enten gewidmet worden. „Ich habe auch die Leitung des Ordnungsamts zu den Pressegesprächen eingeladen, aber die wollten nicht“, erinnert sich Friedemann Hieber. Schließlich habe der Nürtinger Oberbürgermeister der Sache einen Riegel vorgeschoben: Die Enten behielten schlussendlich ihre Freiheit.

Ein nützliches Hobby

Ansonsten verläuft das Leben der praktisch flugunfähigen Vögel eher entspannt. Ihren Arbeitsalltag können sie sich frei gestalten. Morgens werden sie aus ihrem Häuschen gelassen, das sie vor Räubern wie Füchsen schützt. Das sei auch nötig. Jedes Jahr würde ungefähr eine Ente Raubvögeln oder Füchsen zum Opfer fallen. Deswegen würden die Enten Abends auch freiwillig Zuflucht suchen. „Gänse muss man ja abends zusammentreiben. Aber die Enten wissen, wo sie wohnen und dass sie in ihrem Haus sicherer sind“, sagt ihr Chef.

Ansonsten wackeln sie, wohin sie wollen. Die Laufrichtung wird demokratisch entschieden. Zwar läuft eine Ente voraus, und die anderen folgen ihr. „Aber wer voraus geht, das wechselt regelmäßig“, so Hieber. Sie lieben Wasser und können auch schwimmen. Wasser ist für die Tiere auch zur Federpflege und zur Nahrungsaufnahme notwendig. An den Baggersee, der unweit der Gärtnerei liegt, gehen sie jedoch nicht. Hiebers Vermutung: „Der See ist ihnen, glaube ich, zu groß. Da trauen sie sich irgendwie nicht hin.“ Bei schlechtem Wetter würden sie auch mal die Arbeit verweigern und einen Tag in ihrem Häuschen bleiben. Ein Luxus, den sie sich gönnen können, da sie wissen: Satt werden sie trotzdem. „Ganz können sie sich nicht selber ernähren – vor allem im Winter. Deshalb füttern wir zu“, sagt Hieber.

Als kleinen Bonus liefern sie regelmäßig Eier. „Das Eigelb ist größer als bei Hühnereiern. Zum Backen oder für Spätzle kann man die gut nehmen, als Frühstücksei sind sie aber nicht so gut.“ Hieber nehme hauptsächlich die Gelege aus dem Frühjahr, die sie ohnehin nicht ausbrüten würden. Später im Jahr dürften sie auch welche behalten und für Nachwuchs sorgen. „Es ist ein nützliches Hobby, das mir und meinen Kunden viel Freude bereitet“, sagt er über seine Enten.

Tolle Tiere

Tierische Helfer
 Nutz- und Arbeitstiere helfen bereits seit Jahrtausenden bei alltäglichen, aber auch fast unmöglichen Aufgaben, zu denen selbst der begabteste Mensch nicht imstande wäre. Seien es Fährten- oder Therapiehunde mit ihren ausgeprägten Sinnen oder Jagdfalken, die selbst aus enormer Höhe Beute erspähen können.

Indische Laufenten
 Die Vögel haben eine Lebenserwartung von ungefähr 12 bis 15 Jahren. Sie sind auch unter dem Namen Flaschenenten bekannt. In der Anschaffung sind die Tiere günstig: Sie kosten nur etwa 20 Euro. Allerdings haben sie in der Haltung hohe Ansprüche. Die sehr aktiven Tiere brauchen eine Menge Platz: 100 Quadratmeter Fläche werden pro Ente empfohlen. Binnen eines Jahres werden sie geschlechtsreif.