Berliner Tatort: Zelimkhan K. wurde im Kleinen Tiergarten erschossen. Foto: AFP/Christoph Soeder

Dass die Bundesregierung auf neue Erkenntnisse zum „Tiergarten-Mord“ politisch mit der Ausweisung zweier russischer Diplomaten reagiert, ist mehr als nachvollziehbar. Das gilt nach Meinung unseres Berliner Korrespondenten Christopher Ziedler, obwohl die Kooperation mit Moskau für Deutschland zentral ist.

Berlin - Noch ist es nur ein ungeheuerlicher Verdacht, allerdings einer, der mit so vielen Indizien unterlegt ist, dass der Generalbundesanwalt am Mittwoch offiziell die Ermittlungen an sich gezogen hat: Die russische Regierung hat möglicherweise einen Killer angeheuert, um mitten in Berlin einen politischen Gegner töten zu lassen. Der „Tiergarten-Mord“ vom 23. August, dem der Georgier Zelimkhan K. zum Opfer fiel, entwickelt sich zum hochpolitischen Spionagethriller, weckt böse Erinnerungen an den Fall Skripal in Großbritannien und belastet die Beziehungen zu Moskau zusätzlich schwer.

Gerade vor dem Pariser Gipfel mit Kanzlerin Angela Merkel und Kremlchef Wladimir Putin am Montag, wo eine Friedenslösung für den schwelenden Krieg in der Ostukraine gefunden werden soll, stellen die neuen Erkenntnisse eine schwere Hypothek dar. Auch in Bezug auf die Bürgerkriegsländer Syrien und Libyen, deren Instabilität massive Auswirkungen auf Europa hat, ist Deutschland auf eine Kooperation der Schutzmacht Russland angewiesen. Dennoch ist es mehr als nachvollziehbar, dass die Bundesregierung mit der Ausweisung zweier russischer Diplomaten auf die neue Entwicklung reagiert. Nach einem mutmaßlichen Auftragsmord auf deutschem Boden darf sie nicht einfach zur Tagesordnung übergehen – auch in diesem Stadium nicht.

Hätte es aber nicht erst eines echten Beweises für Moskaus Mittäterschaft bedurft? Fußte die politische Reaktion mehrerer EU-Staaten im Fall des vergifteten Sergej Skripal nicht auch nur auf einer begründeten Annahme? Genau darum aber geht es, um eine politische Reaktion. Strikt davon zu trennen ist die juristische Aufarbeitung des Tiergarten-Mordes. Hier darf es keinerlei Abstriche bei der Beweisführung geben.

christopher.ziedler@stzn.de