Die Schlingnatter bevorzugt als Beute vor allem Eidechsen und Blindschleichen. Foto: Michael Eick

Eine unauffällige Mini-Würgeschlange kriecht in alten Trockenmauern umher. Auf dem Kappelberg in Fellbach ist die Schlingnatter (Coronella austriaca) an den Rändern der Weinberge zu Hause.

Fellbach - Zuallererst die Entwarnung: Keine Panik! Diese Schlange ist vollkommen ungefährlich. Giftschlangen gibt es ohnehin in unserer Gegend keine. Wer dieses Reptil zu Gesicht bekommt, sollte sich freuen und den Tag im Kalender ankreuzen. Vielleicht gerade mal eine Handvoll oder auch ein paar mehr Exemplare dürften heutzutage auf dem Kappelberg herumschlängeln. Das war in früheren Zeiten sicher einmal anders.

Und mit einer Blindschleiche kann man die Schlingnatter eigentlich auch nicht verwechseln

Die kleine und schlanke Schlange, um die es geht, ist die Schlingnatter, auch Glattnatter genannt. Sie wird nicht einmal einen Meter lang und ist daher meist deutlich kleiner als die ebenfalls bei uns vorkommende Ringelnatter. Diese ist außerdem deutlich kräftiger gebaut und trägt normalerweise immer zwei hellgelbe halbmondförmige Flecken hinter dem Kopf.

Und mit einer Blindschleiche kann man die Schlingnatter eigentlich auch nicht verwechseln, auch wenn die beiden oft ähnlich groß sein können. Die Blindschleiche hat metallisch glänzende Schuppen, nur eine sehr feine Längszeichnung auf dem Rücken, ihr Kopf ist nicht vom restlichen Körper abgesetzt, sondern geht praktisch nahtlos in diesen über. Außerdem verfügt diese beinlose Echse über bewegliche Augenlider. So etwas gibt es bei keiner Schlange. Aber das sieht man nur aus der Nähe. Meist bekommt man so ein Tier aber kaum so ausgiebig zu sehen, dass man solche Details erkennen kann.

Der deutsche Name Schlingnatter deutet auf die Art und Weise ihres Beuteerwerbs hin

Auf einem Foto dagegen kann man dann in aller Ruhe feststellen, dass die Schlingnatter auf der Oberseite ein Muster aus abwechselnden Flecken trägt, die sich in Längsreihen über den Rücken ziehen. Die Fleckung ist am Vorderkörper etwas dunkler und wird nach hinten blasser. Die Weibchen sind generell meist etwas dunkler getönt als die Männchen, deren Grundfarbe eher ins Rötliche geht. Charakteristisch ist ein dunkles Band von der Nasenspitze durch das Auge und entlang der Schläfen bis zum Hals sowie ein dunkler u-förmiger Fleck direkt am Übergang vom Kopf zum Nacken. Dieser Hufeisenfleck, der sich nach hinten öffnet, ähnelt einer Krone. Darauf bezieht sich auch der wissenschaftliche Gattungsname „Coronella“ (Krönchen).

Der deutsche Name Schlingnatter deutet auf die Art und Weise ihres Beuteerwerbs hin: Sie schlingt nicht etwa riesige Mengen an Nahrung wie ein gefräßiges Monster hinunter, sondern sie umschlingt ihre Beute wie eine Anakonda oder eine Boa. Dabei wird das Beutetier erdrosselt, damit es anschließend problemlos verschluckt werden kann – am Stück natürlich, so wie sich das für eine Schlange gehört. Denn kauen und Nahrung zerkleinern, das können Schlangen nicht. Aber sie sind dank der großen Flexibilität der Schädelteile und vor allem eines extrem dehnbaren Kieferapparates, dessen Teile nur mit elastischen Bändern verbunden sind, in der Lage, Beutetiere aufzunehmen, die einen deutlich größeren Durchmesser als die Schlange selbst haben.

Die Schlingnatter bevorzugt als Beute vor allem Eidechsen und Blindschleichen

Auch wenn es im äußersten Südosten Europas mit der Sandboa sogar tatsächlich einen richtigen Vertreter der Gruppe der Riesenschlangen gibt, so ist die kleine Schlingnatter, die zur Familie der Nattern gehört, also so etwas wie eine Würgeschlange, nur eben eine kleine. Der Begriff „Würgeschlange“ bezeichnet keine systematische Gruppe, daher ist er bei der Schlingnatter durchaus zutreffend.

Die heimlich lebende Schlingnatter bevorzugt als Beute vor allem Eidechsen und Blindschleichen. Sie kriecht aber auch kleinen Nagern und sogar Spitzmäusen hinterher, die sie in ihren Bauten aufspürt, auch Vogelküken verschmäht sie nicht. Überall, wo an trockenen und warmen Stellen Eidechsen umherhuschen, kann man auch mit der Eidechsenjägerin rechnen. Die Schlingnatter ist vorwiegend in den frühen Morgen- und späten Abendstunden unterwegs. Sie wärmt sich gerne an sonnigen Stellen, etwa auf großen Steinen, vegetationsfreien Stellen oder Baumstümpfen, um dann auf Streifzug zu gehen, sobald sie „Betriebstemperatur“ erreicht hat.

Früher war die Schlingnatter sicher sehr viel häufiger als heutzutage

Ihr Lebensraum ist offenes, besonntes Gelände mit Steinhaufen und Versteckmöglichkeiten. Das kann an lichten Waldrändern sein oder auf Heideflächen, an Böschungen oder an Bahndämmen, vor allem aber in Weinbergen. Als früher vielerorts Trockenmauern das Gelände in Terrassen gliederten, war die Schlingnatter sicher sehr viel häufiger als heutzutage.

Auf dem Kappelberg gibt es einige handfeste Nachweise: Der ehemalige Biologie-Lehrer des Friedrich-Schiller-Gymnasiums, Dieter Schmidtke, entdeckte vor einigen Jahren ein Exemplar beim Sonnenbaden auf einer Holzbank. Manfred Heß buddelte vor nicht allzu langer Zeit am Hinteren Berg beim Restaurieren einer Trockenmauer ein Exemplar zusammen mit einer Ringelnatter aus – ein sensationeller Fund, denn offenbar hatten die beiden Schlangenarten dasselbe Versteck hinter den Steinen bewohnt. Ganz aktuell für diese Serie gelangen neueste Beobachtungen und Fotos. Der Verfasser freut sich über weitere Hinweise zu dieser bei uns eher selten anzutreffenden Schlange.

Steckbrief

Die Schlingnatter ist eine kleine Schlangenart mit einem vergleichsweise kräftigen Körper. Sie wird zwischen 50 und 90 Zentimetern lang, meist nicht größer als 70 Zentimeter. Die Männchen sind oberseits eher bräunlich bis rötlichbraun, die Weibchen graubraun bis grau-schwarz. Die Rückenzeichnung ist mit paarigen oder versetzten dunklen Flecken. Die Bauseite ist rötlichbraun bis schwärzlich grau und kann fein gefleckt sein.

Schlingnattern erbeuten Eidechsen, Blindschleichen, auch kleinere Schlangen, außerdem Kleinsäuger, unter anderem Spitzmäuse, denen sie sogar ins Nest kriecht. Als Fressfeinde der Schlingnatter gelten Marderartige, Wildschweine, aber auch Igel und natürlich verschiedene Greifvögel. In der Nähe von menschlichen Siedlungen können junge Glattnattern auch Ratten zum Opfer fallen.