Dass der Wallach Capi einmal so locker läuft, hätte Tierarzt Michael Oberthür anfangs nicht für möglich gehalten. Foto: Stoppel

Das behinderte Pferd Capi ist in Remshalden in Therapie und macht gute Fortschritte. Seine Besitzerin hat viel Unterstützung für die teure Behandlung erfahren, muss deswegen aber auch einige Kritik einstecken.

Remshalden/Plieningen - Surrend setzt sich das Laufband in Bewegung und zwingt den Württemberger-Wallach Capi sanft, Huf um Huf vorwärts zu laufen. Seine Hinterhand sieht dabei ungelenk aus, aber es funktioniert. Michael Oberthür nickt zufrieden: „Anfangs brauchte er noch eine Wand, um sich anzulehnen“, sagt der Tierarzt. Als er das Pferd zum ersten Mal gesehen hatte, gab er ihm kaum eine Chance. „Er war schwach, halb verhungert, völlig verwurmt und von anderen Pferden zusammengeschlagen worden.“ Die erste Besitzerin von Capi –  mit vollem Namen Captain Future B – wollte ihn einschläfern lassen. Doch Tina Recknagel aus Plieningen erbarmte sich. Obwohl sie zuvor wenig mit Pferden zu tun hatte, kaufte sie das Tier vor einem knappen Jahr und gab es zu Oberthür und seiner Freundin Denise Kappler in Behandlung. Seit Januar steht das vierjährige Pferd in einem Reitstall auf der Buocher Höhe – und kann mittlerweile wider Erwarten sogar longiert werden.

Capis Krankheit ist unheilbar – Schmerzen hat er aber keine

Eine „absolute Ausnahmeerscheinung“ nennt ihn der Tierarzt, ein „Stehaufmännchen“ seine Besitzerin. Capis Fell glänzt wieder, er hat zugenommen. Doch die größte Baustelle bleibt seine Behinderung: Er leidet an einer Ataxie, einer Koordinierungsstörung der Beine. „Manchmal fällt er spontan um. Er spürt das hintere Ende seines Körpers nicht richtig“, sagt Oberthür. Er vermutet, dass bei Capi ein Problem im Kleinhirn vorliegt, seine Intelligenz sei aber nicht gemindert. „Und er ist freundlich und verschmust.“

Geheilt werden wird Capi nicht. Niemand wird je auf seinem Rücken sitzen. Auch Recknagel wollte Capi eigentlich reiten, sie führt gerade mit der Vorbesitzerin einen Rechtsstreit, in dem es darum geht, ob diese von der Behinderung wusste. Manch anderer Pferdebesitzer hätte das Pferd als untauglich einschläfern lassen. Doch Tina Recknagel hat sich entschieden – für Capi. „Er soll doch nur leben dürfen“, meint sie. „Behinderte Menschen kommen in unserer Gesellschaft zurecht – warum soll ein behindertes Pferd das nicht können?“ Sie wolle nicht Gott spielen und Capi abgeben, nur weil er „nicht richtig funktioniert“. Zumal das Pferd keine Schmerzen leide, wie der Tierarzt Oberthür bestätigt.

Doch die Therapie für Capi ist teuer. Bislang hat Recknagel nach eigenen Angaben gut 10 000 Euro für die Behandlung bezahlt. Ein Bericht in einem Lokalteil der Stuttgarter Zeitung stieß auf großes Interesse, auch der Radiosender Antenne 1 nahm den ungewöhnlichen Patienten in seine Sendung „Tier nach Vier“ auf. Laut Recknagel sind sogar Spenden aus Bulgarien und den USA eingetroffen.

Betrugsvorwürfe im Internet

Nicht überall kommt diese Aufmerksamkeit gut an: In einer Facebook-Gruppe hagelte es Kritik. „Kranke Haustiere gibt es viele, aber niemand kennt die. Dem Gaul dagegen können sie jetzt eine beheizbare Box mit Fernseher bauen“, meint auch ein Leser auf der Webseite der Stuttgarter Zeitung. Im Internet gab es sogar Betrugsvorwürfe: Capi sei noch im Januar bei einem Springturnier gestartet und eigentlich gesund. Der Grund für die Verwirrung: Ein fast gleichnamiges Pferd, das aber um einige Jahre älter ist und zudem einer anderen Rasse angehört.

Tina Recknagel lässt sich von der Kritik nicht beirren, sie vermutet vor allem Neid hinter dem Gegenwind. Sie arbeitet als systemische Beraterin und kann sich vorstellen, dass Captain Future B sie eines Tages bei der Arbeit unterstützen kann. Führungskräfte könnten lernen, sich nicht auf Äußerlichkeiten zu verlassen. „Außerdem könnte man ihn wegen seines sanften Wesens vielleicht in der Hippotherapie mit behinderten Kindern einsetzen“ , überlegt sie. Und auch wenn das nicht klappen sollte: „Dann habe ich eben einen sehr großen Hund“, meint Recknagel.

Infos über Ataxie

Definition
Unter den Begriff Ataxie fallen verschiedene Störungen der Bewegungskoordination. Ataxien sind selten und kommen bei Menschen und Tieren vor. Betroffene Pferde laufen oft torkelnd und neigen zu Stürzen. Dies kann unterschiedliche Ursachen haben. Capis Rückenmark wurde bereits ohne Befund untersucht. Daher liegt die Vermutung nahe, dass etwas in Capis Kleinhirn nicht stimmt. Die Ataxie ist keine geistige Behinderung, sondern eine körperliche mit neuronaler Ursache.

Unterstützung Die Therapie kostet Capis Besitzerin Tina Recknagel viel Geld. Wer sie finanziell oder durch praktische Mithilfe unterstützen möchte, kann sich über die E-Mail-Adresse tina.recknagel [at] imail.de bei ihr melden.