Zurzeit ist die Kaninchendame Flecki Stammgast auf dem Behandlungstisch in Heumaden. Silke Burgsmüller muss regelmäßig die Bisswunde am Ohr reinigen. Foto: Judith A. Sägesser

Silke Burgsmüller und Katja Preßler haben sich vor zehn Jahren zusammengetan und eine Tierarztpraxis in Heumaden gegründet. Das Spezialgebiet der einen sind Zahnbehandlungen, das der anderen ist Verhaltenstherapie.

Heumaden - Flecki hat beim Streit den Kürzeren gezogen. Ihre Artgenossin daheim hat ihr ins Ohr gebissen. Seitdem muss die weiße Kaninchendame regelmäßig in die Tierarztpraxis an der Heumadener Fenchelstraße. Silke Burgsmüller beugt sich über Flecki und reinigt die Wunde. Das muss ganz schön weh tun, aber das Kaninchen hält still, als würde es gestreichelt. „Auf dem Behandlungstisch sind die in so einer Starre drin“, sagt Katja Preßler.

Im Wartezimmer ist vieles für die Katz’

Eigentlich hätte der Besucher eher eine Katze auf dem Tisch vermutet als ein Kaninchen. Im Wartezimmer ist alles auf Katze gemacht. An den Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotos von Miezen und ein Leitfaden, wie der Mensch Arthrose bei Katzen erkennt; auf dem Tischchen liegen Broschüren über kätzische Altersvorsorge und ein Buch namens „Im Katzenhof“. Silke Burgsmüller und Katja Preßler sagen, das sei ihnen noch gar nie aufgefallen. Zumal sie beide immer Hunde hatten und haben. „Vielleicht ist unser Wartezimmer so, weil sich ansonsten immer alles so stark auf Hunde konzentriert“, sagt Silke Burgsmüller. Deshalb wollen sie den Katzenfreunden eine Freude machen.

Zehn Jahre ist es her, dass sich Silke Burgsmüller und Katja Preßler zusammengetan und die Praxis gegründet haben. Sie kennen sich vom Studium in München, und beide wollten nicht auf sich allein gestellt sein. „Man kann sich gegenseitig absichern“, sagt Katja Preßler. Die Veterinärin hat am Anfang ihrer Laufbahn auch andere Erfahrungen gemacht. Da hat sie in einer Gemischtpraxis gearbeitet. Das bedeutet, dass neben Kleintieren zum Beispiel auch Pferde und Rinder behandelt werden. „Man ist immer allein durch die Gegend gefahren“, sagt Preßler. „Und dann ist man mit dem Besitzer und dem Tier allein im Stall.“ Das war nicht ihr Ding. Deshalb war die Gemeinschaftspraxis mit ihrer einstigen Studienkollegin für sie ein Glücksgriff.

Zahnprobleme bei Tieren sind keine Seltenheit

Die Tierärztinnen ergänzen sich. Abgesehen davon, dass beide gleichermaßen das Standardgeschäft erledigen, haben sie ihre Spezialgebiete, die ihnen besonders viel Spaß machen. Silke Burgsmüller hat sich für Zahnbehandlungen weitergebildet, Katja Preßler in der Verhaltenstherapie.

Dass Kleintiere Parodontose, Zahnstein oder Fehlstellungen beim Gebiss haben, sei keine Seltenheit. Das liegt laut Silke Burgsmüller vor allem am falschen Futter oder an der Überzüchtung. Allerdings lässt längst nicht jeder die Beißerchen seines Lieblings behandeln. Vielleicht wegen des Geldes, vielleicht wegen des zeitlichen Aufwands, vielleicht, weil er gar nichts davon weiß. Die Ärztin erzählt von einem 13-jährigen Kaninchen aus Magstadt, das alle sechs Wochen nach Heumaden gefahren wird, damit Silke Burgsmüller ihm die Zähne abschleift. „Seit zehn Jahren, das ist aber die absolute Ausnahme“, sagt sie.

Katja Preßler kümmert sich um meist unsichtbare Leiden

Ihre Kollegin hat sich indes eine Fachrichtung ausgesucht, bei der es eher um unsichtbare Leiden geht. Haben Tiere psychische Probleme, gleicht die Behandlung zunächst einem Rätselraten. Schließlich können Hunde, Katzen und Kaninchen nicht erklären, was sie bedrückt. Da sind Menschen als Mittler nötig. Das macht es nicht immer einfacher. Oft sei es die Erziehung, die zu tierischen Marotten führe, sagt Katja Preßler. Aber es gibt auch andere Gründe. Sie berichtet von einem alten Hund, der sein Frauchen plötzlich nicht mehr leiden konnte. Der Hund ist dement, das musste die Halterin erst einmal verdauen.

Hat die Tierärztin einmal erkannt, was ihren Patienten wurmt, schlägt sie dem Halter einen Therapieplan vor oder verschreibt Psychopharmaka. Sollte es nötig sein, dass das Tier in seiner häuslichen Umgebung beobachtet werden muss, gibt sie dies an einen noch geschulteren Experten ab. Teils hilft es aber schon, wenn der Besitzer sein Tier filmt. Katja Preßler würde sich wünschen, dass sich mehr Menschen beim Tierarzt beraten lassen, bevor sie sich ein Haustier anschaffen. Damit würden sich ihrer Meinung nach viele Probleme vermeiden lassen. Flecki ist ein gutes Beispiel. Die Kaninchendame mit dem angebissenen Ohr kommt mit ihrer Stallkumpanin nicht klar. Das kommt oft vor bei zwei Weibchen ihrer Art. „Das ist eine schlechte Konstellation“, sagt Katja Preßler. Für Flecki mit nervenaufreibenden Folgen: auf dem Behandlungstisch an der Fenchelstraße hocken, sich von Silke Burgsmüller am Ohr herumfummeln lassen – und sich dabei nichts anmerken lassen.