Renate Krausnick-Horst (vorne) und Rosemarie Fendt testen die Automaten. Foto: Lg/Leif Piechowsk/i

Trotz eines deutlichen Trends zum Online-Kauf von Fahrkarten tauschen die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) derzeit alle 380 Automaten im Streckennetz aus. Doch wie kommen eigentlich die Kundinnen und Kunden mit den neuen Geräten zurecht?

Stuttgart - Beinahe 25 Jahre haben die orangen Automaten der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) Tickets für Fahrgäste ausspuckt, einige davon wurden sogar noch in DM bezahlt. Seit Februar letzten Jahres ersetzt die Verkehrsgesellschaft nun sukzessive die alten Maschinen gegen neue Modelle, gut zwei Drittel wurden bereits erneuert. Die SSB werben mit zahlreichen Vorteilen, die die neuen Geräte für Nutzende bereithalten sollen. Doch wie bedienfreundlich sind die gelben Kästen wirklich? Und vor allem: Wie kommen Seniorinnen und Senioren mit ihnen zurecht, die vorwiegend am Bahnsteig ihre Tickets kaufen? Zwei Frauen aus dem Stadtseniorenrat haben die neuen Automaten getestet.

Man muss deutlich kräftiger drücken

In der Klett-Passage am Hauptbahnhof finden wir sofort einen der knallig gelben Automaten. „Ein großer Bildschirm“, stellt Renate Krausnick-Horst sofort fest. Seit 1956 lebt die 91-Jährige, die dem Stadtseniorenrat vorsitzt, in Sillenbuch und nutzt den öffentlichen Nahverkehr regelmäßig. An die neuen Automaten muss sie sich erst mal gewöhnen. „Im Alter braucht das seine Zeit“, sagt sie lächelnd. Statt einem kleinen Bildschirm oben an der Automatenfront gibt es nun einen Touchscreen auf Bauchhöhe, wie bei einem Bankautomaten. Man muss deutlich kräftiger drücken als bei einem Smartphone. Kein Problem für die beiden Seniorinnen, „aber einige ältere Menschen können mit ihren Fingern nicht mehr fest drücken“, merkt Krausnick-Horst an.

Neu: Kontaktloses Zahlen und QR-Code-Scanner Zunächst wollen wir gemeinsam mit Krausnick-Horst und ihrer Bekannten Rosemarie Fendt zum Charlottenplatz fahren – eine klassische Kurzstrecke. Fahrkartenkäufer können an den Bildschirmen nun horizontal die Gültigkeit des Tickets bestimmen. Die vier meistverkauften Ticketarten werden vertikal auf dem Startdisplay angezeigt, etwa ein Einzelticket oder ein Kurzstreckenticket für maximal drei Haltestellen, welches wir ziehen und über den „Sofortkauf-Button“ bezahlen wollen. Auch kontaktloses Zahlen mit Apple und Google Pay oder einer Kreditkarte, die über einen NFC-Chip verfügt, ist möglich und sicherlich gefragt: Schließlich nutzen 39 Prozent aller Kreditkarteninhaber laut einer Studie der Deutschen Bundesbank mittlerweile die Funktion des kontaktlosen Zahlens. Die beiden Seniorinnen wundern sich eher über den blau leuchtenden Scanner und zahlen in bar. „Jetzt geben die Automaten auch endlich Scheine zurück und nicht nur einen Berg an Kleingeld“, bemerkt die 82-jährige Fendt. Neu ist ebenfalls der QR-Code-Scanner. Fährt man die gleiche Strecke erneut, kann der Automat die Codierung lesen und das gleiche Ticket nochmals ausspucken.

Zonenwahl löst Verwirrung aus Das nächste fiktive Ziel ist Remseck am Neckar. Hierfür benötigen die Seniorinnen Einzeltickets. Als Nächstes muss die Zone ausgewählt werden. Liegt Remseck außerhalb oder innerhalb von Zone 1, fragen sich die beiden. Hierzu müssten sie auf die Tarifzoneneinteilung schauen, die früher an der Außenfront festgemacht war. Nun sei der Zonenplan in die Menüführung integriert, so die SSB. Wo dieser zu finden ist, bleibt in unserem Test unklar. Auch ein weiterer Versuch an einem anderen Automaten bleibt erfolglos. Eine klassische Übersicht an der Automatenfront und insbesondere ein Hinweis während des Kaufvorgangs, dass Zone 1 seit der Zonenzusammenlegung 2019 das gesamte Stadtgebiet umfasst, fänden die beiden hilfreich. „Auch Touristen oder Gelegenheitsfahrern würde das helfen“, vermuten sie.

Mit der Suchfunktion schnell zum Ticketkauf Wer sich von Zonen und Tarifen nicht verwirren lassen möchte, kann die Zielhaltestelle jetzt in ein Suchfeld eintippen. Die Haltestelle muss nicht mehr im alphabetisch sortierten Verzeichnis herausgesucht und die entsprechende Nummer über ein Tastenfeld eingegeben werden. „Das finden wir gut, das Verzeichnis auf den alten Automaten war zu klein geschrieben, auch mit Brille konnten das viele Senioren nicht entziffern“, sagt Fendt. Positiv fällt auf, dass alle Preise für infrage kommende Tickets nun angepasst werden. Auch die Auswahl der Zonen fällt über die Suchfunktion weg. Doch würde die Suchfunktion Rechtschreibfehler erkennen? Probehalber schreibt Fendt Vaihingen mit „ei“ statt mit „ai“, wie es vielleicht Ortsunkundige tun würden. Doch Rechtschreibfehler, etwa mithilfe eines Algorithmus, erkennt die Suche nicht. Das wäre eine echte Verbesserung gewesen.

„Was wäre, wenn ich ein Fahrrad mitnehmen wollen würde“, fragt sich Fendt. Innerhalb des SSB-Netzes ist die Mitnahme eines Rads zwar außerhalb des Berufsverkehrs erlaubt und kostenlos. Doch möchte man zum Beispiel eine S-Bahn des VVS-Verbunds nutzen, in den die SSB eingebunden sind, ist zeitweise ein Kinderticket zu lösen. „Das steht hier aber nirgends“, wundert sich Krausnick-Horst. An den alten Automaten gab es hierfür eine rote Taste mit einem Fahrrad-Symbol.

Fazit: Modern – aber nicht ohne Hindernisse Mit den neuen Automaten ist der Fahrkartenkauf zwar ein Stück weit im 21. Jahrhundert angekommen. Die Automaten sind zudem barrierefrei und zumindest grundlegend auch auf die Bedürfnisse von älteren Personen abgestimmt. Doch Senioren, die den Umgang mit dem Computer nicht gewohnt sind, sollten beim ersten Fahrkartenkauf zeitig vor der Abfahrt zum Bahnsteig kommen. Wer Unterstützung benötigt, kann sich an den Stadtseniorenrat wenden.