Ein Jäger stößt auf ein kurioses Waldlager – mit thronartigen Sesseln, Feuerstellen und grotesken Masken. Was erst wie ein Ritualplatz wirkt, entpuppt sich als etwas völlig anderes.
Horst Bilwachs schiebt das Geäst beiseite und bleibt stehen, perplex. Vor ihm, zwischen den Bäumen, in einer kleinen Senke mitten im Gärtringer Gemeindewald, spannt sich eine Plane über dem Waldboden. Aufgehängt mit Seilen, notdürftig befestigt. „Ein Unterschlupf, vielleicht von Jugendlichen“, denkt der Jagdpächter zuerst. Aber dann sieht er genauer hin und ihm kommen leise Zweifel an dieser Theorie.
Unter dem notdürftigen Unterstand stehen scheinbar bewusst arrangiert zwei Sessel, behelfsmäßig gezimmert aus jungen, entrindeten Stämmen, sie muten an wie rituelle Thronsitze. Bilwachs erblickt auch Feuerstellen, einen verkohlten Baumstumpf und Petroleumlampen. Daneben ein Spaten, halb im Boden versunken, als sei er eben erst benutzt worden. Das vielleicht Merkwürdigste: Überall sind Schriftzeichen eingeritzt – auf Brettern, in die Rinde der umliegenden Bäume, seltsam und fremd, wie aus einer anderen Welt. Und dann fällt Bilwachs Blick auf eine Maske, rot-weiß bemalt, mit einem starren, fast grotesken Grinsen, das ihm direkt von einem aufgespießten Ast entgegenstarrt.
Eine Pilzsammlerin alarmierte den Jagdpächter
„Die sah aus wie aus dem Horrorfilm ‚Es’“, sagt Bilwachs später am Telefon unserer Redaktion. Gefunden habe er das Ganze bei einem Kontrollgang, dem wiederum ein Anruf vorausging. „Eine Pilzsammlerin hat sich bei uns gemeldet. Sie hat gesagt, da sei irgendwas im Wald, das ihr komisch vorkomme.“ Also ist er losgezogen – und stand dann inmitten von etwas, das einer improvisierten Kultstätte glich, einem Ort, an dem man Rituale abhält. Es schien ihm seltsam genug, um es der Stadt zu melden. Am nächsten Tag führte Bilwachs den Gemeinderat mitsamt Bürgermeister im Rahmen der öffentlichen Waldbegehung zu der Stätte. Auch die Polizei wurde eingeschaltet.
Die Beamten suchten das Lager daraufhin selbst auf, wie Pressesprecher Steffen Grabenstein auf Anfrage mitteilt. „Vor Ort wurden zwei junge Männer angetroffen“, sagt er. Die beiden 19- und 21-Jährige seien quasi auf frischer Tat ertappt worden: „Die beiden Männer hatten sogar Werkzeug dabei, mutmaßlich um weiter an dem Lager zu arbeiten.“ Recht schnell sei der Polizei daraufhin klar geworden, dass hinter dem Aufbau „keinerlei okkulter Hintergrund gesteckt“ habe. „Das Lager war offenbar auch nicht als eine Art Scherz gedacht, um irgendwen zu erschrecken“, so Polizeihauptkommissar Grabenstein. Tatsächlich wurde das Lager nach bisherigen Erkenntnissen lediglich zum Spaß und als Treffpunkt errichtet.
Verstoß gegen den „Waldknigge“
Aber der Polizeiposten in Gärtringen ermittele nun trotzdem gegen den 19- und den 21-Jährigen, so der Polizeisprecher. „Die beiden Männer stehen im Verdacht, einen Hochsitz beschädigt zu haben, der sich in der Nähe befindet. Möglicherweise wurden Teile davon verwendet, um das Lager zu bauen.“ Sowohl der Tatbestand eines Diebstahls als auch der einer Sachbeschädigung stehe im Raum.
Und damit nicht genug: Bei der Stadt Gärtringen laufe nun ein Bußgeldverfahren gegen die beiden Männer, so Grabenstein. Der Grund: Sie haben gegen das Landeswaldgesetz verstoßen – also den „Waldknigge“, wenn man so will. „Die beiden Männer haben nicht nur ein illegales Lager errichtet, sondern auch Feuer im Wald gemacht“, sagt Thomas Riesch, Bürgermeister von Gärtringen, auf Nachfrage. „Das stellt einen Verstoß gegen das Landeswaldgesetz dar“, bestätigt auch der Ortschef den Strafbestand. Im Prinzip, so Riesch, könne man das Lager auch mit illegaler Müllablagerung vergleichen: „Immerhin mussten wir das Ganze kostenpflichtig wieder entfernen und entsorgen.“
Was auch immer die beiden jungen Männer da vorhatten – ganz alltäglich war der selbst gebaute „Waldtreff“ jedenfalls nicht. Ob da einfach nur Langeweile im Spiel war oder doch ein Hang zum Mystischen – man weiß es nicht. Fest steht nur: Wer diesen Ort im Wald zufällig entdeckt hätte, wäre vermutlich erst einmal rückwärts wieder rausgelaufen.