Nach ihrer öffentlichen Schlammschlacht suchen VfB-Vorstandschef Thomas Hitzlsperger und Präsident Claus Vogt nach Wegen aus der großen Führungskrise. Die Fronten bleiben allerdings verhärtet.
Stuttgart - Die Aufräumarbeiten auf der Geschäftsstelle des VfB Stuttgart an der Mercedesstraße sind in vollem Gange. Berge von Scherben gilt es zu beseitigen, nachdem der Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger den Präsidenten Claus Vogt frontal attackiert hatte und der öffentliche Gegenschlag des Vereinschefs und Aufsichtsratsvorsitzenden umgehend gefolgt war. Beide Seiten haben nun ein Interesse daran, den Konflikt nicht noch weiter zu befeuern, um weiteren Schaden vom VfB und nicht zuletzt von sich selbst fernzuhalten. Die entscheidende Frage lautet: Wer ist zu größeren Zugeständnissen bereit?
Claus Vogt erwartet von Thomas Hitzlsperger angesichts der Vehemenz der Vorwürfe eine öffentliche Entschuldigung samt Rücknahme der Kandidatur für das Präsidentenamt. Für beides sieht Hitzlsperger allem Anschein nach bisher keine Veranlassung. Der Vorstandschef würde es offenbar begrüßen, wenn der aus seiner Sicht in der Gremienarbeit überforderte Vogt den Vorsitz im Aufsichtsrat abgeben würde – eine Überlegung, die es bereits gegeben hatte, bevor der Streit eskaliert ist. Eine Einigung scheint aber auch hier kaum möglich.
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Einen Automatismus, dass der Vereinspräsident gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender in der seit 2017 ausgegliederten AG sein muss, sehen die VfB-Statuten zwar nicht vor. Doch war es im Vorfeld der Präsidentenwahl 2019 Bernd Gaiser, damals Interimspräsident und heute Präsidiums- und Aufsichtsratsmitglied, der auf einer Mitgliederveranstaltung unmissverständlich an ein Versprechen im Rahmen der Ausgliederung erinnerte: „Der Verein wird weiterhin eine starke Rolle in der AG wahrnehmen. Zu dieser starken Rolle gehört, dass der Präsident zugleich Aufsichtratsvorsitzender ist. An dieser Zusage halten wir fest. Auf dieses Wort können Sie sich verlassen.“
Kein Wunder also, dass es viele Mitglieder als massiven Wortbruch betrachten würden, sollte Hitzlsperger neben seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der AG auch Präsident des e.V. werden – und damit die Einflussmöglichkeiten der mehr als 70 000 VfB-Mitglieder schwächen. Dem Aufsichtsrat würde der Vereinspräsident dann nicht mehr angehören, worin Hitzlsperger einen Vorteil sähe: „In der Doppelfunktion bekäme ich es sogar mit einem Kontrollgremium mehr zu tun“ – nämlich dem Vereinsbeirat.
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Ob ein Interessenskonflikt vorläge, lässt das für die Kandidatenauswahl zuständige Gremium derzeit ebenso juristisch prüfen wie die Frage, ob die (in diesem Punkt sehr schwammig formulierte) VfB-Satzung, das Aktien- und Gesellschaftsrecht sowie die Vorgaben der Deutschen Fußball-Liga (DFL) überhaupt eine Kandidatur Hitzlspergers zulassen. Dass es die vom Beirat beauftragte „renommierte Anwaltskanzlei im Sportrecht“ sein wird, die dem AG-Chef die Grenzen der Macht aufzeigt, gilt freilich als äußerst unwahrscheinlich. Diese Aufgabe müsste das Gremium, das am Montag mit den Bewerbungsgesprächen startet, wohl selbst übernehmen.
Der Vereinsbeirat ruft Hitzlsperger und Vogt zur Zurückhaltung auf
„Die Mitglieder können versichert sein, dass uns die besondere Konstellation und Tragweite der anstehenden Entscheidungen bewusst ist“, das teilte der Vereinsbeirat am späten Mittwochnachmittag mit. Gleichzeitig fordert das Gremium „einen fairen Umgang miteinander“ und bekennt sich „klar zu einer zügigen sowie lückenlosen Aufklärung der Datenaffäre mit allen hieraus resultierenden Konsequenzen“. Hitzlsperger wie Vogt empfiehlt der Vorsitzende Wolf-Dietrich Erhard, „bis zur Nominierungsentscheidung durch den Vereinsbeirat in dieser Thematik keine öffentlichen Auftritte und weiteren Stellungnahmen zu geben“.