Zurück zu den Wurzeln: Gottschalk im Münchner Hörfunkstudio. Foto: dpa

Thomas Gottschalk gibt jetzt beim Bayerischen Rundfunk wieder den Radiomoderator – dort, wo vor vierzig Jahren seine Karriere begann. Es wird nicht sein letztes Comeback sein.

Stuttgart - Das wievielte Comeback ist das jetzt? Schwer zu sagen. Gefühlt vielleicht das zehnte oder zwölfte. Wer aus aktuellem Anlass – Thomas Gottschalks „Comeback“ als Radiomoderator beim Bayerischen Rundfunk an diesem Sonntag – korrekt nachzählen will, kommt in die Bredouille. Was hat dieser Mann nach „Wetten, dass . . ?“ nicht alles gemacht!

Seit Ende 2011 ist da einiges zusammengekommen, doch an die einzelnen Auftritte erinnert man sich nur vage. Er war der wenig inspirierte Sidekick von Dieter Bohlen bei der Castingshow „Das Supertalent“; er trat mit seinem Duz-Kumpel Günther Jauch als „Die 2“ in einer Spielshow gegen den Rest der Fernsehrepublik an. Er trommelte Promis und ihre Schulkameraden zu „Back to School – Gottschalks großem Klassentreffen“ zusammen und ließ es kräftig menscheln; er feierte „30 Jahre RTL“ oder jubelte über „40 Jahre Musikvideos“. Dies alles bei RTL, dem Privatsender, der den Moderatorenstar nach seinem Abgang von der großen ZDF-Showbühne am Samstagabend nur allzu gern mit offenen Armen empfing. Aber auch beim Zweiten kappte man die Leine nie; Gottschalks Live-Qualitäten sicherten ihm weiterhin exquisite Moderationsjobs etwa beim „Echo Klassik“ oder der „Golden Kamera“ – Letzteres ein Format, das er schon in den frühen Neunzigern begleitete.

Der 66-Jährige versteht sich als Grandseigneur der deutschen Fernsehunterhaltung

Fakt ist also: Thomas Gottschalk, die Goldmähne mit dem Grinsestrahlen, der Dampfplauderer im Leoparden-Sakko, ist in den vergangenen fünf Jahren nie wirklich weg gewesen. Und die sogenannte Öffentlichkeit hat den 66-Jährigen nach wie vor auf dem Radar. Auf wundersame Weise schafft er es, sich weiterhin als Grandseigneur der deutschen Fernsehunterhaltung zu verkaufen – obwohl er längst schon nichts mehr beigetragen hat, was diese Bezeichnung wirklich verdiente hätte.

Dafür muss man sich nur an seinen letzten schlagzeilenproduzierenden Auftritt erinnern, die RTL-Show „Mensch Gottschalk“ im vergangenen Juni. „Was Deutschland bewegt“ wollte er eruieren, fast vier Fernsehstunden reklamierte er für sich, doch was er bot, war vor allem, was Gottschalk bewegt, ein fahler Aufguss seiner selbst zu glorreicheren Zeiten.

Hängen blieb dabei nur eines: Gottschalk, das ist der, der seinen Zenit überschritten hat, das ist der, der immer nur am liebsten über sich selbst quasselt. Da kamen ungute Erinnerungen hoch an seinen bislang größten Flop, den man doch gern ganz vergessen hätte, die tägliche Show „Gottschalk live“, mit der die ARD 2012 ihren Vorabend retten wollte. Das Trauerspiel hatte nach gut vier Monaten ein Ende, weil die Quoten gar zu unterirdisch waren. Und trotzdem scheint an ihm nach wie vor kein Weg vorbeizuführen. Da erscheinen lange Interviews zum Verkaufsstart seiner Autobiografie „Herbstblond“. Bei „Spiegel online“ darf er zum Tod von Götz George und Bud Spencer sogar einen Gastbeitrag schreiben – und über Vergänglichkeit sinnieren. Und natürlich ist es auch ein mediales Großereignis, wenn er jetzt sein Comeback als Radiomoderator feiert, und alle warten gespannt darauf, was Gottschalk am Sonntagabend auf Bayern 1 drei Stunden lang ins Mikro raunen wird. Im November, als der BR die Neuigkeit von der Rückkehr kundtat, wusste Gottschalk noch nicht, wie seine Sendungen aussehen werden, war der Pressemitteilung zu entnehmen. Dass er als erstes Lied „Back Home“ von Golden Earring spielen wolle, war das Einzige, was verraten wurde.

Dieses Comeback ist in Wirklichkeit gar keines

Also back to the roots: So lautet das wenig originelle Schlagwort für die vergangenheitsselige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die das öffentlich-rechtliche Radio dem offeriert, der ihm 1989 den Rücken kehrte, um sich auf seine TV-Entertainer-Karriere zu konzentrieren. Doch auch dieses Comeback ist in Wirklichkeit gar keines, denn schon 2013 war Gottschalk mehrmals bei Bayern 3 im „Kultabend“ mit Fritz Egner zu hören. Die Tage als Radiomoderator, die ihm beim BR nach ersten Stationen als Stations- und Nachrichtensprecher Sendungen wie „Pop nach acht“ oder die „BR-3-Radioshow“ bescherten, nannte er in seiner Autobiografie „die unbeschwerteste und beruflich glücklichste Zeit“ seines Lebens. „Ich quatsche, und ich mache Musik“ – auf diesen Nenner bringt er selbst sein simples Erfolgsrezept von damals. Und genauso wird er es jetzt wohl auch bei der „Bayern 1 Radioshow“ wieder machen. Seine Rechnung, die mit ihm gealterten Hörer von damals wieder einzusammeln, dürfte aufgehen: Denn genau sie sind die jetzige Zielgruppe von Bayern 1, mit einer Tagesreichweite von rund drei Millionen Hörern das erfolgreichste Programm des BR, das „internationale Oldies und melodischen Pop“ aus den Siebzigern und Achtzigern spielt.

Jeden ersten Sonntag ist er von 19.05 Uhr drei Stunden lang auf Sendung und präsentiert die „großen Hits der Pop- und Rockgeschichte“. Sich zur Ruhe zu setzen, sein Dasein als Großvater und seine Millionen zu genießen oder etwas ganz anderes zu wagen, davon hält er anscheinend nichts. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ antwortete er 2015 auf die Frage, wie es weitergehe: „Ob es weitergeht, liegt im Wesentlichen daran, ob die Leute von mir die Nase nicht schon voll haben. Noch habe ich nicht das Gefühl, dass es schon so weit ist.“

Im Frühjahrt kehrt er dann auch wieder einmal ins Fernsehen zurück

Und so steht das nächste Comeback auch schon fest: Im Frühjahr wird Gottschalk auf Sat 1 die Kinder-Show „Little Big Shots“ präsentieren; ein Import aus den USA, in dem Kinder ihre Talente demonstrieren. Es wird ein doppeltes „Comeback“: mal wieder zurück auf den TV-Bildschirm, von dem er nie verschwunden ist, und zurück zum Sender Sat 1, bei dem er in den neunziger Jahren unter Vertrag war, unter anderem mit „Gottschalks Hausparty“, damals kein wirklicher Showhit.

Rechtzeitig aufhören – diese Wegabzweigung hat Thomas Gottschalk irgendwie verpasst.