Thomas Anders macht jetzt deutschen Schlager. In den Achtzigerjahren ist er gemeinsam mit Dieter Bohlen als Modern Talking in die deutsche Pop-Geschichte eingegangen. Hits wie „You’re my heart, you’re my soul“ singt er heute noch bei Konzerten im Ausland. Foto: Getty Abo

Er gibt weltweit Konzerte als „Thomas Anders und Modern Talking Band“. In Deutschland macht der Sänger des erfolgreichen Achtziger-Eurodisco-Duos jetzt Schlager. Ein Gespräch über rosa Lipgloss, Beleidigungen, Helene Fischer und B-Klasse-Künstler.

Stuttgart/Koblenz - Die Schicksalsgemeinschaft mit dem Anfang der Achtziger noch unbekannten Produzenten Dieter Bohlen hat ihn zum Popstar gemacht: Thomas Anders wird auf immer und ewig der sonnengebräunte Bravo-Posterboy des seichten Modern-Talking-Pops sein. Doch das Leben ist weiter gegangen und als Mittfünfziger wandelt Thomas Anders nun auf Schlagerpfaden und hat mit Florian Silbereisen ein Duett aufgenommen. Im Gespräch erzählt er, wie es dazu kam, was er von Helene Fischer hält, warum Dieter Bohlen nie sein Freund war und was sein Sohn über den früheren Modern-Talking-Thomas-Anders denkt, der eigentlich Bernd Weidung heißt.

Guten Tag Herr Anders. Oder soll ich lieber Herr Weidung sagen?

Anders passt. Das mit den Namen hat sich längst verselbstständigt. Langjährige Freunde nennen mich Bernd, Bekannte und Kollegen sagen Thomas oder auch Bernd, meine Frau nennt mich Schatzi und wenn das Finanzamt anruft, höre ich auf Herr Weidung. (lacht)

Ein ganz schönes Durcheinander!

Ja, es passiert auch schon mal, dass der Beamte bei der Passkontrolle am Flughafen sagt: „Aber Sie sind doch der Herr Anders!“. Dabei stehen beide Namen in meinem Pass.

Sie werden also überall erkannt?

In den meisten Fällen. Vor allem hier in meiner Heimat in Koblenz natürlich.

Wie ist das für Ihren 17-jährigen Sohn mit einem so bekannten Vater aufzuwachsen?

Das frage ich mich auch oft. Er kennt es nicht anders und es ist kein großes Thema mehr. Er sagt, dass es eben mein Job ist. Wenn wir beim Einkaufen sind und ich wegen Selfies oder Autogrammen aufgehalten werde – was permanent vorkommt – dann läuft er einfach weiter. Aber wir haben ihn bewusst auf ein Internat geschickt, um ihn weitestgehend von diesem Prominentenstatus abzuschirmen und er nicht als „Sohn von“ aufwachsen muss.

Was hat er gesagt als er zum ersten Mal ein Modern-Talking-Video gesehen hat?

Da war er 11 oder 12 Jahre und meinte nur: „Papa, bitte, das bist du jetzt nicht, oder?“ Und ich sagte: „Doch, du musst jetzt ganz stark sein!“ (lacht)

Was denken Sie selbst wenn Sie heute ein Modern-Talking-Video sehen?

Dass es der Grundstein für meinen Erfolg war. Ohne Modern Talking wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Und der Style war damals angesagt. Duran Duran, Boy George oder auch Depeche Mode – dieses Androgyne war in und meine damalige Frau Nora hat sich davon inspirieren lassen und mir diesen Rosa-Lipgloss-Look verpasst. Stylisten oder Visagisten in diesem Sinn gab es damals noch gar nicht. Später hat sich der Style wiederholt, schauen Sie sich heute Bill Kaulitz von Tokio Hotel an.

Was ist eigentlich aus der berühmten „Nora“-Kette geworden?

Die liegt im Safe!

Sie könnten Sie in der Rapper-Szene als Accessoire vermarkten oder einem Museum anbieten.

Ja, da hätte ich ganz sicher einen Stein im Brett bei meinem Rap-affinen Sohn, wenn Travis Scott oder Kanye West mit einer Nora-Kette um den Hals herumlaufen würden (lacht). Im Ernst: dass diese Kette die Nation auch 30 Jahre nach Modern Talking noch so bewegt, ist wirklich erstaunlich. Wäre sie eine Marke, wäre ich heute Multi-Millionär.

Sie sagen, Sie waren nie mit Dieter Bohlen befreundet. Wie kam es damals zu Ihrer Zusammenarbeit?

Dieter Bohlen war Produzent bei meiner damaligen Plattenfirma. Wir haben zusammen einige erfolglose deutschsprachige Stücke aufgenommen. Ich hatte die Idee, etwas auf Englisch zu singen. Dabei kam dann „You’re my heart, you’re my soul“ heraus. Nachdem das überraschend in die Charts einstieg, hat sich die Plattenfirma ausgedacht, mir einen Partner an die Seite zu stellen. Auf die Schnelle ließ sich niemand anderes finden, also stellten sie mir Bohlen daneben. Peng, das war’s.

Schon erstaunlich, was diese Entscheidung für Ihr Leben bedeutet hat!

Ja, wir beide sind Schicksalsbrüder. Aber privat haben wir nie wirklich einen Draht zueinander gehabt.

Sie geben nach wie vor viele Konzerte im Ausland, bei denen Sie die alten Modern-Talking-Hits aufspielen. Dabei machen Sie doch eigentlich inzwischen deutschen Schlager.

Ich gebe auf der ganzen Welt Konzerte und muss mich natürlich dem jeweiligen Publikum sprachlich anpassen. Englisch ist außerhalb Deutschlands die Sprache, die immer funktioniert, da ist es für mich klar, dass ich nicht meine deutschen Songs auspacke (lacht). Ich möchte mein Publikum bestens unterhalten, egal in welcher Sprache.

Wieso singen Sie überhaupt auf Deutsch?

Das deutschsprachige Schlagergenre boomt wie selten und ich fühle mich dort sehr gut aufgehoben. Ich spiele in diesem Jahr meine erste Solotour in Deutschland, bei der ich einen tollen Mix aus deutschen Songs und Modern Talking-Songs präsentieren werde. Vor dem Erfolg mit Modern Talking habe ich übrigens auch auf Deutsch gesungen.

Sie haben ein Lied gemeinsam mit Florian Silbereisen aufgenommen, das den Branchenpreis für das erfolgreichste Duett 2018 bekommen hat. Einen sehr prominenten Partner haben Sie sich da ausgesucht, wie kam es?

Es gibt eine Duettnummer auf meinem aktuellen Album, für die mein Produzent und ich einen Partner gesucht haben. Mir ist Florian eingefallen, weil er stimmlich dazu passt. Und er hat ‚Ja‘ gesagt. Ganz unspektakulär, aber ich habe mich sehr darüber gefreut.

Sie kennen auch Helene Fischer noch aus Zeiten, in denen Sie längst nicht so erfolgreich war wie heute. Wie sehr verändert der Erfolg den Menschen?

Also bei Helene kann ich nur sagen, dass sie immer noch die selbe ist wie damals, zumindest mir gegenüber. Bei ihr ist es wie bei den meisten großen Künstlern: je erfolgreicher, desto unprätentiöser. Es sind eher die B-Klasse-Künstler, die gerne mal überheblich sind und in Klischees leben.

Was würden Sie heute machen, wenn Sie nicht so erfolgreich mit Modern Talking geworden wären?

Keine Ahnung. Vielleicht wäre ich Produzent geworden, vielleicht hätte ich auch ganz mit der Musik aufgehört. Vielleicht wäre ich auch Musikjournalist geworden, ich habe ja mal Germanistik, Musikwissenschaft und Publizistik studiert.

Mit Musikkritikern haben Sie einschlägige Erfahrungen gemacht. Gegen einen haben Sie prozessiert, weil er Sie Ende der Achtziger Jahre als „höhensonnengegerbte Sangesschwuchtel“ bezeichnet hat.

Ja, aber bin ich längst drüber weg. Das hatte auch nichts mit Kritik zu tun, sondern mit Beleidigung. Den Prozess habe ich am Ende gewonnen. Da war jemand frustriert und hat das zu Papier gebracht.

Was sagen eigentlich Ihre Eltern zu Ihrer Karriere?

Meine Mutter lebt leider nicht mehr, aber beide haben mich immer unterstützt. Mein Vater, er ist 89, kam kürzlich zu meinem Konzert und meinte anschließend in der Garderobe: ‚Junge, um dich muss ich mir keine Gedanken mehr machen.“

Thomas Anders – Leben und Karriere

Bernd Weidung alias Thomas Anders kam 1963 in der Nähe von Koblenz als Sohn eines Beamten und einer Gastronomin zur Welt. Schon früh entdeckte er sein musikalisches Talent. Eine Plattenfirma produzierte noch während der Schulzeit ein Album mit ihm. Nach dem Abitur 1982 studierte er fünf Semester Germanistik, Publizistik und Musikwissenschaft bevor ihm gemeinsam mit dem Produzenten Dieter Bohlen und dem Eurodisco-Projekt Modern Talking mit „You’re my heart, you’re my soul“ 1985 ein Welthit gelang. 1987 trennte sich das Duo und Anders zog mit seiner damaligen Frau Nora Balling – die Namensgeberin der berühmten goldenen Nora-Kette, die Anders stets trug – in die USA. 1994 kam er nach Deutschland zurück. 1999 gab es ein erfolgreiches Comeback von Modern Talking, 2003 folgte die finale Trennung. Seitdem arbeitet Thomas Anders als Solokünstler und hat großen Erfolg im Ausland. Vor allem in Russland begeistert er mit den alten Modern-Talking-Stücken viele Fans. Gemeinsam mit seiner zweiten Frau Claudia Hess und seinem 17-jährigen Sohn lebt er in Koblenz.

Thomas Anders – Hits von damals bis heute

Der Welterfolg von Modern Talking 1985: „You’re my heart, you’re my soul“ (hier noch ohne Nora-Kette): Ebenfalls ein großer Hit aus dem selben Jahr: Chérie, chérie Lady (hier bereits mit Nora-Kette, Kajal und Schmachtblick und Dieter Bohlen mit Achtziger-Vokuhila-Frisur): Später dann, 1998, das wiedervereinigte Duo Modern Talking mit ihrem neu aufgelegten Hit „You’re my heart, you’re my soul“ (Rapper Eric Singleton trimmte das Stück auf jung während Anders und Bohlen äußerlich deutlich gereift waren): Es gab auch neue Stücke, wie zum Beispiel „Sexy, sexy Lover“: Seit der endgültigen Trennung von Modern Talking arbeitet Thomas Anders erfolgreich als Solo-Künstler. Im Ausland hat er viele Fans, spielt aber vorwiegend alte Modern-Talking-Hits, wie hier in Vietnam: In Deutschalnd hat sich Thomas Anders dem Schlager verschrieben und inzwischen sein zweiten Album heraus gebracht, es heißt „Ewig mit dir“. Darauf ist auch das Duett mit Florian Silbereisen „Sie sagte doch, sie liebt mich“: